Peter Kogler, Installation, Karlsplatz-Passage, Wien, 2012, Foto © Iris RanzingerLetztlich hat sie es nicht leicht, die Kunst im Öffentlichen Raum.
Sie umgibt uns ungefragt, wie bestellt und nicht abgeholt, selbstverständlich.
An Orten, wo Innehalten und Staunen das Letzte ist, das uns in den Sinn käme.
Zu Zeitpunkten, in denen ‚keine Zeit‘ einen deutlichen Beigeschmack hat.

Aber es lohnt sich den Blick zu heben und den Schritt zu verlangsamen.
Die Wiener Linien, 2004 mit dem Kunstmediator-Preis der IG Galerien für ihre Sammeltätigkeit ausgezeichnet, werten seit mehr als 20 Jahren den Alltag der 1,5 Millionen U-Bahnbenützer täglich mit hochkarätiger Kunst auf, zunächst vorwiegend entlang der U3, jetzt mehr und mehr flächendeckend auch auf der U1 und U2.

Skeptikern, die an die Kosten denken, sei entgegengeschmettert, dass das unterirdische Wien aus mehr bestehen kann als aus der Dritten Mann Tour, und dass sich jeder Mensch wohl lieber in absichtsvoll und professionell gestalteten Räumen bewegt, als in solchen, die sich selbst und der nicht immer wohlwollenden Menschenflut überlassen werden.

Ich finde es jedenfalls großartig, dass es ist wie es ist, und verrate hiermit meine Lieblingsstationen der Wien U-Bahn:

U2 Museumsquartier
Die großformatigen Bleistiftzeichnungen von Rudi Wach kontrastieren den fliederfarbenen Luxus der Fliesen von Bisazza, der „Lauf der Geschöpfe“ auf einem Untergrund, der sonst eher in den Badezimmern begüterter Menschen zu finden ist. Mein Favorit, auch weil die Station manchmal menschenleer ist und man in Ruhe schauen kann.

U3 Schweglerstraße
Die Videoinstallation „Tele-Archäologie“ von Nam June Paik hat nur zu Beginn funktioniert, aber ich bin schon zufrieden, dass sie überhaupt da ist. Hebt man den Blick, entdeckt man ein Sportflugzeug, einen Minicooper und einen Propeller, der durch die Schwallluft der ein- und aussfahrenden Garnituren bewegt wird. Und wenn man einen Weile an die hohe Decke der Station starrt, schauen andere plötzlich auch…

U3 Westbahnhof
Ein 70 Meter langes Monumentalwerk von Adolf Frohner, früher von Obdachlosen und Wachturm-Herzeigern bevölkert, jetzt ganz zivilisiert hinter einer gläsernen Abtrennung verwahrt, begleitet den Vorbeihastenden „Circa fünfundfünfzig Schritte durch Europa“.

U2 Schottentor, Universität
Schau nach vorn! Bevor einen die Rolltreppe zu den prosaischen Bahnsteigen hinunter getragen hat, kann man noch einen Blick auf eine Installation von Lukas Maximilian Hüller und Juliane R. Hausner werfen: thehumanrightsproject.org erhaschen. Wie viel komfortabler sind wir zumeist unterwegs.
Das Jonasreindl ist insgesamt ein bemerkenswerter Ort, nicht so verkommen wie die Karlsplatzpassage früher, trotzdem irgendwie altmodisch trotz üppiger kulinarischen und sonstiger Infrastruktur. Für viele Studenten ist es der erste Ort in Wien, den sie öfter aufsuchen – man könnte sentimental werden.

U-Bahnstation Karlsplatz
Die Neugestaltung fand und findet statt. Wer ganz Wien in zwei Minuten spüren will, ist hier am rechten Platz. Vermutlich wird das auch so bleiben, wenn im Frühling 2013 die 70 Meter lange Kunstinstallation „Wandmalerei“ des Österreichischen Konzeptkünstlers Ernst Caramelle eröffnet wird.
Und wem das nicht gefällt, der kann sich der Installation von Peter Kogler im Zwischengeschoß U1/U2 widmen.

 

Rudi Wach, Zyklus "Lauf der Gerschöpfe", Foto © Wiener LinienNam June Paik in der Schweglerstraße

 

 

 

 

 

 

die Arbeit von Lukas Maximilian Hüller und Juliane R. Hauser U3 SchweglerstraßeU2 Schottentor, UniversitätU-Bahnstation, Ausgang Künstlerhaus

 

 

 

 

 

Wer nicht live schauen kann oder will, dem stehen bereits zwei Bildbände zur Verfügung:

Wiener U-Bahn Kunst. Moderne Kunstwerke – Archäologische Funde – Zeitlose Architektur
2011, Herausgeber: Wiener Linien GmbH & Co KG, ISBN: 978 3 200 02173 0

Das Wiener U-Bahn-Netz. 200 Jahre Planungs- und Verkehrsgeschichte
2009, Johann Hödl, ISBN-10:320001184X und ISBN-13: 978-3200011847.

Perfekt passt auch der Film Train of Thoughts!

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