BERLINDE DE BRUYCKERE, Wezen | 2003–2004 © Privatsammlung, London Foto: Mirjam Devriendt

Am 7. April 2016 eröffnete im Leopold Museum die grandiose Doppelausstellung Wilhelm Lehmbruck und Berlinde de Bruyckere.

Wir waren bei der Eröffnung, lauschten und staunten.

In der hohen Eingangshalle des Museums: ganz großer Bahnhof! Vier Reden, alle gut, alle auch mit Verweisen auf die aktuelle Situation in Europa mit dem Anwachsen des Inhumanen. Viele sind zur ersten Eröffnung unter der neuen Direktion von Hans-Peter Wipplinger gekommen, auch die Künstlerin de Bruyckere selbst, die Museumsdirektion des Lehmbruck Hauses Duisburg, Söke Dinkla, die Familien der beiden Künstler, die Botschafter Belgiens und Deutschlands. Ein Trommelwirbel.

Wittringer nennt die Doppelausstellung „eine künstlerische Position in Form von Kommentaren zur Menschlickkeit“ und so verstehe ich auch die Kombination der beiden Künstler in der Doppelausstellung. Ein wahrlich gelungener Einstand.

Ausstellungsansicht 1, Wilhelm Lehmbruck. Retrospektive © Foto: Lisa Rastl, 2016

Ausstellungsansicht 1, Wilhelm Lehmbruck. Retrospektive © Foto: Lisa Rastl, 2016

Es ist die erste Lehmbruck Retrospektive in Österreich seit 50 Jahren.

Und wo sollte sie sonst stattfinden als im Leopold Museum. Schiele und Lehmbruck (1881–1919) trafen einander 1912. Ein Umstand, dem in einem eigenen Ausstellungsraum mit Werken aus dem Bestand des Museums Rechnung getragen wird: Der Eindruck ist bleibend. Bemerkenswert auch die unterschiedliche Qualität des graphischen Werks der beiden Künstler im Vergleich. Lehmbruck ist mir als Skulpteur lieber, als als Zeichner.

Die Ausstellung wurde chronologisch aufbereitet und ist hervorragend kuratiert: Wie hier Werke unterschiedlicher Künstler auch aus teilweise unterschiedlichen Epochen mit den Werken Lehmbrucks in Dialog gebracht wurden, ist wundervoll. Die kunsthistorischen Verweise machen Spaß und beeindrucken. Eine Gratulation Hans-Peter Wipplinger, der zum Einstand auch kuratiert hat. Man darf sich darauf freuen, in welche Richtung die Reise des Hauses unter seiner Leitung gehen kann.

Mein Lieblingsraum im ersten Untergeschoss ist der für Joseph Beuys, der Lehmbruck verehrt hat und sich wegen ihm selbst der Kunst als Schaffender zuwandte. Den Göttern sei Dank.

Ausstellungsansicht 2, Wilhelm Lehmbruck. Retrospektive © Foto: Lisa Rastl, 2016

Ausstellungsansicht 2, Wilhelm Lehmbruck. Retrospektive © Foto: Lisa Rastl, 2016

Berlinde de Buryckeres erste Peronale in Österreich

Das Erdgeschoss gehört den teilweise verstörenden Arbeiten der Künstlerin (geb. 1964), der hierzulande zum ersten Mal eine Personale gewidmet ist.

Zwei Hauptwerke sind sehr stimmig in die Lehmbruck – Schau eingebunden. Die menschlich anmutenden Figuren sind aus Wachs lebensecht nachgebildet. Sie sind geköpft, deformiert, einsam. Es ist schmerzhaft sie zu betrachten – und berührend.

Ich bin dankbar, dass sie vor weißen Wänden präsentiert wurden und nicht so wie in Paris damals. In dramatisch ausgeleuchteten schwarzen Kammern hat das Wachs der Skulpturen nur allzu menschlich und verletzbar in der sie umgebenden Dunkelheit geleuchtet, wie mir mir schildert. „Körperlichkeiten, die unter die Haut gehen“ sagt der Katalogtext. Wie wahr!

BERLINDE DE BRUYCKERE, Hanne | 2003 © Sammlung Hauser & Wirth, Schweiz,

BERLINDE DE BRUYCKERE, Hanne | 2003 © Sammlung Hauser & Wirth, Schweiz,

Lehmbruck und de Bruyckere: ein Vergleich?

Die Skulpturen Lehmbrucks berühren nicht weniger als die von de Bruyckere. Aber sie können es über den Schmerz hinaus. Man leidet mit dem „Knienden“, aber ergötzt sich an der heiteren Schönheit der „Liebenden Köpfe“ und es wärmt das Herz bis ins Innerste, schaut man länger auf „Mutter und Kind“.

Schmerz. Liebe. Würde.
Unbedingt.

Berlinde De Bruyckere, Suture © © Leopold Museum, Wien

Berlinde De Bruyckere, Suture © © Leopold Museum, Wien

Wilhelm Lehmbruck. Retospektive

Kurator: Hans-Peter Wipplinger
Die Ausstellung läuft noch bis zum 4. Juli 2016!
Kuratorenführung
: Donnerstag, 21.4.2016, 18.00 Uhr
Öffentliche, kostenlose Überblicksführungen: Termine hier!

Berlinde de Bruyckere. Suture

Kuratorin: Stephanie Damianitsch
Diese  Ausstellung läuft noch bis zum 5. September 2016!

Leopold Museum

MQ, Museumsplatz 1, 1070 Wien
Tel.: +43 1 525 700
E-mail: office@leopoldmuseum.org
web: www.leopoldmuseum.org
Preise: regulär Euro 12,00, zahlreiche Ermäßigungen
Öffnungszeiten: täglich außer Dienstag 10.00 – 18.00 Uhr, donnerstags bis 21.00 Uhr

(Beitragsbild: BERLINDE DE BRUYCKERE, Wezen | 2003–2004 © Privatsammlung, London Foto: Mirjam Devriendt)
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