Mraz und Sohn, Ceviche, Bild (c) Claudia Busser -kekinwien.at

Mraz und Sohn – mit scharf.

Der ‚verlorene‘ Sohn kehrte zurück – und wir ein.
Oder: Manchmal muss es Hummer sein!
Wir waren essen …

Frischer Wind

Man läutet immer noch, wenn man hinein will ins sensorische Abenteuerland des Restaurants Mraz und Sohn. Doch: Die Küche wurde geöffnet und das Interieur im Vergleich zu unserem letzten Besuch entrümpelt, ja durchaus künstlerisch gestaltet. Die Tische sind mit weißer Wäsche bespannt und minimalistisch schön eingedeckt. Das weckt Erwartungshaltungen auf Großartiges. Darf es auch, denn das Restaurant Mraz und Sohn hat derzeit zwei Michelinsterne und drei Hauben (18 Punkte) beim Gault & Millau, um nur zwei Auszeichnungen zu erwähnen.

 

reduziertes Ambiente, Mraz und Sohn, Bild (c) Claudia Busser - kekinwien.at

reduziertes Ambiente, Mraz und Sohn, Bild (c) Claudia Busser – kekinwien.at

 

‚Brigittenauer family restaurant with no borders‘

So bezeichnet sich das Lokal selbst. Stimmt, Grenzen gibt es nur im eigenen Kopf. Hier wird unkonventionell, lustvoll, witzig, mit Achtung für die Tradition und perfektem Handwerk gekocht. Das Verspielte, der leichte Hang zum Übertreiben ist weg, zum Beispiel in Form des Brotwagens mit knapp zwanzig Sorten damals (- was aber früher sowohl üblich war, als wohl auch erwartet wurde). Der ausgezeichnete Käsewagen blieb.

Man serviert ein einziges Menü, und was man eventuell auf der humorvoll gestalteten website vorab dazu lesen kann, sind höchstens Hinweise. Die Speisekarte kommt nämlich vor Ort live und in 3D: Manuel Mraz, der Restaurantleiter präsentiert auf einem großen, runden Tablett die frischen Zutaten des Abends. Nur der Hummer, der schon komplett verarbeitet worden war, wurde lustig als laminiertes Bild gezeigt. Auch die Lieferanten der Produkte und Utensilien erfahren in diesem Moment, die ihnen gebührende Wertschätzung. Keker Tipp: Auch wir Endverbraucher*innen und Laien können an diesen gute Adressen einkaufen.

Junge Talente und alte Hasen

Wie ein Theaterstück ist auch ein gelungenes Erlebnis für den Gast eines Restaurants das Ergebnis von Teamwork. Bei Mraz und Sohn fällt das ausgesprochen versierte und teils herzerfrischende Service angenehm auf. Wer sich hier nicht entspannen kann, kann das wohl grundsätzlich nicht in Restaurants.

Die Musik an unserem Abend, am 6. Juni 2019, ist auch eine Erwähnung wert: Elvis Presley, James Blake (wenn ich nicht irre), Michael Jackson (ganz sicher) – fast bekam man Lust nach der Playlist zu fragen. Die Musik passte nicht immer ganz, war aber amüsant und schien letztlich mehr für die Küche als für die Gäste gespielt zu werden. Und manchmal haben Gerichte ob ihrer Köstlichkeit ohnehin unsere hundertprozentige Aufmerksamkeit, sodass wir rund um uns einige schöne Momente lang gar nichts mitbekommen.

Wenn der Vater mit dem Sohne

Lukas Mraz ist der Sohn, der durch seine Wanderjahre (zuletzt Cordobar, Berlin) den Namen des Familienbetriebes zwischen Sohn und Söhne pendeln ließ. Markus heißt der Vater, der seit fast drei Jahrzehnten Wien mit unvergleichlichen Gerichten auf höchsten Niveau versorgt.

Die aktuelle Konstellation brachte neue Impulse in viele Bereiche des Restaurants. Eine gehörige Portion Lässigkeit vermeint man zu spüren. Als Gast will man Anstrengung oder gar Angestrengtheit für eine großartige Performance aber sowieso nicht merken müssen. Das Fehlen jeglicher Gespreiztheit spiegelte sich bei unserem Besuch auch im übrigen Publikum wider.

Marz und Sohn, das Menü

Am Ende des Abend bekommt man noch ein sehr witziges Frühstückspaket mit auf den Weg, eine nicht unaufwendige Geste, die ich an gehobenen Restaurant mag. Ich will nicht spoilern, aber ich habe sehr gelacht. Unser Menü war wie folgt, die Bilder dazu findest du weiter unten bitte. Die Bezeichnungen der Gerichte sind von Mraz und Sohn übernommen:

  • Glückskeks
    Hübsch präsentiert eröffnete es dem Gast die Preise für Menü und Getränkebegleitung:
    15 Gänge inklusive Wasser (Kalenderwoche 23) um Euro 144,44, Weinbegleitung um 89 Euro.
  • Michaelhäuplsalat
    Das Gericht bestand aus einem mit Scheiben von weißen Erdbeeren dicht gewickelten Salatherz auf einem molligen Haselnussdressing: schöne Säure, Teller abgeschleckt, passt.
  • die ultimative Käsesemmel
    Gouda und Bergkäse, darunter eine Joursemmel, dazu ein japanischer Streichkäse mit Senf – lustig und gut bei großem Hunger.
  • Wolfsbarsch / Maiwipferlceviche
    Hier wurde es zum ersten Mal richtig spannend, denn die Aromen von grünem Chili, Pfeffer, Granny Smith (Brunoise), Zwiebel, Kernöl und das texturelle Spiel zwischen den leicht stacheligen Maiwipfeln und dem Fisch waren wunderbar. Schärfe begegnete einem aus unterschiedlichen Quellen das ganze Menü hindurch immer stimmig!
  • Artischocke in der Blüte
    Die ausgesprochen hübsche Präsentation der Artischockenhälfte hatte für uns ein paar zu harte Blättchen bereit, was das Vergnügen am Mandelmilcheis, das unter den Schnittlauchblüten innen verborgen war, ein ganz klein wenig trübte.
  • Humm(er)inator
    Dieser erste von zwei Hummergängen war dann ganz großes Kino! Hummcherchips, gedämpfter Hummer (aus Scheren und Schwanz), Curry, weiße Erdbeeren, Estragon, Szechuanpfeffer, alles angegossen mit einer intensiv salzigen Bisque.
  • Hummer 2.0
    Das nenne ich einmal eine Sommerrolle! Der Rest des Hummers wurde zusammen mit fermentiertem Rettich, Koriandergrün und Mayonnaise in eine fesche Rolle verpackt. Scharf und herrlich.
  • Habanerospargel
    Junger Marchfelderspargel durfte auf den Barbecue Grill, dazu gab es fermentierte Molkesauce. Wieder dezente Schärfe und viel Salz.
  • Maibock / K. u. Kochsalat
    Die erste Interpretation des Rehs fiel eher klassisch aus: Rehrücken mit Kochsalat und knackigen Erbsen und ein paar Schnittlauchblüten. Das Fleisch war in Orangenjus mariniert worden. Schön.
  • Döner Rehbab
    Ein kleines Sauermilchweckel mit viel Mohn obenauf, eingepackt in Papier so wie am Standl, verbarg betörende Überraschungen: Kapuzinerkresse, Sauerklee, Maiböck, Brunnenkresse, Kraut. Das war mein Lieblingsgang! Jeder Bissen schmeckte anders. Sensationell!
  • Käse Hybrid
    Der Käsewagen beeindruckte erneut. Zur Auswahl reichte man hausgemachtes Sauerteigbrot (da hat Salz gefehlt), Cracker (super) und dreierlei „Dips“.
  • Rhabarber Kakigōri
    Auch dieser Gang war ein Highlight, wir haben sogar vergessen das Eis zu fotografieren vor lauter Freude. Unter der luftigen Säure von Rhabarber-Eis verbarg sich cremiges, geschlagenes Pfeffer-Sauerrahm-Eis.
  • Almwiese 2050
    Das war sicher die mutigste Präsentation – man beachte bitte zum Beispiel das Kotz-Smiley und die Zigrattenstummel (aus Papier). Die Heumilch-Crème brûlée kam in einem stark duftenden Heubett. Unter der Crème verbargen sich rehydrierte Erdbeeren in ihrem Sirup.
  • Schokobanane von Mrazali
    In der Originalschachtel des Herstellers samt dessen Schokobananen wurde eine Eispraline pro Person gereicht. Sehr gut!

Lieblingsbeisl mit Sternenküche

Irgendwann im Lauf des Abends hat man das Gefühl, man könnte im Wirtshaus ums Eck sein. Manche Gäste schauen in der Küche vorbei, einige sind Stammgäste, andere Freunde des Hauses. Zum Rauchen gehen nach Schließung des kleinen Innenhofs, also nach 22.00 Uhr, immer wieder Gäste vor die Haustür auf die Gasse. Verbreiten manche Haubenlokale die Stimmung einer Kirche, fühlt man sich hier fast wie auf einer Art  Abenteuerspielplatz.

Die Weinkarte ist ein äußerst spannendes Buch ! Wer nicht die Begleitung wählt, findet darin viele interessante, durchaus fair gepreiste Flaschenweine. Glasweise zu trinken ist finanziell gesehen keine gute Entscheidung. Zum Wohl! Auf die Familienzusammenführung!

Fazit: Kreative Kochkunst auf hohem Niveau gepaart mit guter Stimmung und Nonchalance.

 

Michaelhäuplsalat, Mraz und Sohn, Bild (c) Claudia Busser - kekinwien.at

Michaelhäuplsalat, Mraz und Sohn, Bild (c) Claudia Busser – kekinwien.at

die ultimative Käsesemmel, Bild (c) Claudia Busser - kekinwien.at

die ultimative Käsesemmel, Bild (c) Claudia Busser – kekinwien.at

Wolfsbarsch / Maiwipferlceviche, Mraz und Sohn, Bild (c) Claudia Busser - kekinwien.at

Wolfsbarsch / Maiwipferlceviche, Mraz und Sohn, Bild (c) Claudia Busser – kekinwien.at

Artischocke in der Blüte, Mraz und Sohn, Bild (c) Claudia Busser - kekinwien.at

Artischocke in der Blüte, Mraz und Sohn, Bild (c) Claudia Busser – kekinwien.at

Humm(er)inator, 1. Hummergang im Menü, Bild (c) Claudia Busser - kekinwien.at

Humm(er)inator, 1. Hummergang im Menü, Bild (c) Claudia Busser – kekinwien.at

Hummer 2.0, Sommerrolle, Bild (c) Andrea Pickl - kekinwien.at

Hummer 2.0, 2. Hummergang, Bild (c) Andrea Pickl – kekinwien.at

Habanerospargel, Mraz und Sohn, Bild (c) Claudia Busser - kekinwien.at

Habanerospargel, Mraz und Sohn, Bild (c) Claudia Busser – kekinwien.at

Maibock / K .u. Kochsalat, Bild (c) Claudia Busser - kekinwien.a

Maibock / K .u. Kochsalat, Bild (c) Claudia Busser – kekinwien.at

Döner Rehbab mit scharf, Bild (c) Claudia Busser - kekinwien.at

Döner Rehbab mit scharf, Bild (c) Claudia Busser – kekinwien.at

Käse Hybrid, Mraz und Sohn, Bild (c) Andrea Pickl - kekinwien.at

Käse Hybrid, Mraz und Sohn, Bild (c) Andrea Pickl – kekinwien.at

Almwiese 2050, Mraz und Sohn, Bild (c) Claudia Busser - kekinwien.at

Almwiese 2050, Mraz und Sohn, Bild (c) Claudia Busser – kekinwien.at

 

 

 

Mraz und Sohn

Wallensteinstraße 59, 1200 Wien
Tel.: +43 1 330 45 94
web: www.mraz-sohn.at

Öffnungszeiten: Mo bis Fr 19.00 – 24.00 Uhr
Preise: 15 Gänge inklusive Wasser (Kalenderwoche 23) um Euro 144,44, Weinbegleitung um 89 Euro
Innenhof, Nichtraucherlokal, Chefstable
(Beitragsbild: Mraz und Sohn, Ceviche, Bild (c) Claudia Busser – kekinwien.at)

 

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