Mraz und Sohn - kekinwien.at

Manchmal muss es Luxus sein.
Wir waren bei Mraz und Sohn.

Man muss läuten. Pünktlich um 19.00 Uhr gewährt man Einlass und führt uns zu unserem Tisch im mittleren Raum. Schade, ich wäre gern am Kitchen Table gleich beim Eingang gesessen, weil mit Blick in die Küche. Andererseits wäre ich dann wohl so absorbiert vom Geschehen, dass ich nicht mehr plaudern und nichts wirklich schmecken kann.

In freudiger Erwartung ... Mraz und Sohn - kekinwien.at

In freudiger Erwartung … Mraz und Sohn – kekinwien.at

 

Das Ambiente ist Stückwerk.

Die baulichen Gegebenheiten sind nicht einfach, aber ein paar Details wie die Reliefbuchstaben an der Wand hätte man sich bei der Dekoration von uns aus ruhig schenken können. Pia und ich sind uns wieder mal einig. Dennoch, insgesamt fühlen wir uns rundum  wohl und eine adäquate Bühne für das Menü von vier, sechs oder neun Gängen ist zweifellos vorhanden. Abneigungen und Allergien werden abgefragt, dann kann es los gehen.

Ein Blick in die Küche von Mraz und Sohn - kekinwien.at

Ein Blick in die Küche von Mraz und Sohn – kekinwien.at

 

Mraz und Sohn, die Preise

Reden wir übers Geld. Hier geht es um das Luxussegment, um High End. Ein großes Team, der Weinkeller, die Produkte, die Entwicklungsarbeit, die Kreativleistung, … die Dinge haben ihren Preis. Nur wer hier gegessen hat, kann beurteilen, ob Preis und Leistung sich die Waage halten. Das Couvert kommt auf Euro 4,90 und der kleine Espresso kostet Euro 3,20. Mraz und Sohn gehört bei den Teuren zu den Günstigeren.

  • 4 Gänge Euro 65,00 / 4 Gläser Euro 49,00
  • 6 Gänge Eur0 86,00 / 6 Gläser Euro 59,00
  • 9 Gänge Euro 112,00 / 9 Gläser Euro 79,00

 

In freudiger Erwartung ... Mraz und Sohn - kekinwien.at

In freudiger Erwartung … Mraz und Sohn – kekinwien.at

 

Essen als Erlebnis in der Vorstadt

Es geht sofort los, Grüße aus der Küche, Zack, zack, Schlag auf Schlag. Vier Amuse Gueules kommen in ziemlich rascher Abfolge. Da die Einzelheiten optisch und geschmacklich teilweise spektakulär sind, fühlen wir uns ein paar Augenblicke lang überfordert. Das fand ich bei Amador besser, denn dort kamen die vier Grüße aus der Küche gleichzeitig, wurden erklärt und vor einem „aufgebaut“. Ist man mit dem Staunen fertig, kann man sich Bissen für Bissen durchkosten. Vermutlich ist das auch für die Servicemannschaft angenehmer. Gegrüßt wurde bei Mraz und Sohn so:

 

Bierstangerl, Liptauer - Mraz und Sohn - kekinwien.at

Bierstangerl, Liptauer – Mraz und Sohn – kekinwien.at

 

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Detail des 3. Amuse Gueules – kekinwien.at

 

  • Ein Löffel voll Asia-Glück steckt in einem Kopf Spitzkraut: Wasabi, Nuss, Karotte und Kraut machen den Mund wunderbar bereit für alles, was noch kommen soll. Und nein, der Krautkopf ist nur Deko!

 

  • Sogleich kommt eine Entenleberpastete mit Maronihülle. Ja, man denkt an einen Herbsttag in Paris. Und nein, die Maroni darunter sind roh und nur zum Anschauen. Man merkt, dass das junge Team Humor hat neben geballter Kompetenz, denn der deutliche Hinweis darauf, was wie gegessen werden soll, kommt aus der Erfahrung mit Gästen, die schlicht alles verzehren wollten.

 

  • Ein „Altwiener Bierstangerl“ mit Liptauer wird serviert. Witzig. Sehr gschmackiges selbst gemachtes Brot und der Liptauer dazu ist  schön in seine Komponenten zerlegt. Das macht Spaß. Dazu ein Bissen aus Kalb, Sepia, weißen Bohnen, Curryblättern, Datteln: Ein sehr gelungenes Spiel aus Konsistenzen und trotz Curry ganz rund und harmonisch.

 

  • Dann wieder Asien: Variation einer Misosuppe mit ausgelöster Jakobsmuschel, Eidotter, Selleriestange.
    Andächtiges Schweigen zum ersten Mal.

 

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Auch so kann Misosuppe sein. Mraz und Sohn – kekinwien.at

 

Es ist weiß.

Das Porzellan. Auch von Serax. Wir freuen uns. Es entsteht eine Pause beim Essen. Fast ein bisserl zu lang nach dem Durchmarsch eben. Wir genießen, dass es Zalto Gläser gibt. Wir haben die Weinbegleitung gebucht. Ich werde das jetzt nicht im Detail besprechen, das wäre ein halbes Buch … Der Sommelier Simon Schubert weiß, was er tut und es hat alles gepasst, manches begeistert. Küche und Keller verstehen einander. Österreich, Kalifornien, Korsika, Spanien. Ich war mit dem roten Korsen nicht ganz glücklich, pia sehr wohl.

Im Service schwirren viele junge Menschen herum, die einen bestens geschult und mit distanzierte Freundlichkeit betreuen. „Viel Spaß“! sagen sie, wenn sie den Teller einstellen. Ja, durchaus. Vielleicht glaubt man eine Spur zu viel an die Inszenierung hier. Hätte man nicht nötig. Das Lokal füllt sich. Im zweiten Raum speist eine größere Gruppe. Die Stimmung ist gelöst.

 

Hirschlos

 

Hirschlos. Mraz und Sohn - kekinwien.at

Hirschlos. Mraz und Sohn – kekinwien.at

 

Der erste Gang. Sellerie, Tanne, Hirschtatar. Der Teller ist ein Gebirgsrelief, oben thront das Tatar. Die Tanne ist ein Öl. Die Vogelbeere darf auch mitspielen. Die Schätze des Waldes. Das Tatar ist perfekt abgeschmeckt, nicht zu fein geschnitten. Ich koste alles einzeln, alles zusammen. Perfekt. Stille.

 

Ana K.

Wow, fast zu schön um es zu essen kommt das Kalbsbries in einer goldenen Schale (Beitragsbild ganz oben). Dazu wunderbar der Karfiol in mehrerlei Gestalt. Und Ananas. Mutig. Die Ananas hätte mehr Sonne vertragen. Ihre Säure drängt sich ein bisschen vor. Estragon ist da noch. Spannend insgesamt. Macht es Spaß? Ja.

 

Der schwarze Kabeljau

 

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Der schwarze Kabeljau. Mit Trüffel. Mraz und Sohn – kekinwien.at

Jetzt ist der Moment für Trüffel. Als Special wurden heute nämlich Trüffel oder Kaviar angeboten. Wir sagten „Ja“ zu Trüffel. Er kommt. Ah, dieser Duft! Der Teller wird eingestellt: gedämpfter Kabeljau, Trüffeleggnog, Kohlsprossen in zwei Darreichungsformen, eine Speckhülle, Erdnüsse ohne Haut. Jetzt frische Trüffel darüber hobeln lassen. Zum richtigen Zeitpunkt „Stopp“ sagen. Weil zu wenig ist sinnlos und zu viel erschlägt die Komposition. Außerdem Euro 9,00 pro Gramm. Geht das alles zusammen?
Kosten. Großartig. Mutig. Ein Moment, den man festhalten möchte.

Tafelspitz

 

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Tafelspitz! kekinwien.at

 

Es wird wieder lustig. Alle klassische Geschmackskomponenten des österreichischen Klassikers sind vorhanden. Aber das Gericht selbst wurde wieder dekonstruiert. Das mag ich, wenn jemand nachdenkt. Zwiebel. Lauch. Apfel. Ein Süppchen. Das Fleisch. Sehr gefällig dessen Konsistenz. Geschmacklich alles wunderbar, aber die Geometrie des Suppentöpfchens macht einem das Essen nicht gerade leicht.

Käse vom Wagen

 

Käse vom Wagen und noch ein paar Kleinigkeiten, Mraz und Sohn - kekinwien.at

Käse vom Wagen und noch ein paar Kleinigkeiten, Mraz und Sohn – kekinwien.at

 

Der Brotwagen ist ein sehr lässiges, fahrbares Regal und beherbergt siebzehn (!) unterschiedliche hausgemachte Brote. Ist das übertrieben? Wer soll das bloß essen, denke ich. Wieviel davon wird dann am Ende des Abends womöglich weggeschmissen werden? Im Laufe der Stunden unseres Besuches schrumpfen die Brote auf dem Servierwagen deutlich, beobachten wir. Tatsächlich, das scheint alles aufgegessen zu werden. Gut. Überhaupt die Brotkultur an sich hier. Brot ist Teil meiner kulinarischen Sozialisation. Brot ist ein wesentlicher Bestandteil der Österreichischen Küche. Stimmig, wenn es gewürdigt wird. Siebzehn Sorten: Mohn – Powidl, Rosine – Erdnuss, Sauerteig, Grammeln, Steinpilz, …

 

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Brot, das begeistert – kekinwien.at

Der Käsewagen mit rund 50 Sorten ist nicht minder spektakulär. Die Präsentation obliegt dem jungen Restaurantleiter Manuel Mraz. Dafür darf man sich Zeit nehmen. Gelungene Präsentation. Schöne Reifegrade. Ein kleiner heißer Erdäpfel mit Olivenöl und Salz in Folie kommt dazu, Parmesansticks, sechs „Beilagen“. Es sieht aus wie bei einem Gelage eines Renaissance Fürsten. Habe ich schon gesagt, dass das Spaß macht?

Eine kleines Zwischengericht noch. Statt des sonst üblichen Sorbets erfrischt eine mit Hilfe von Stickstoff gekühlte Eispraline: Kalamansi, Erdnuss, eine leichte Note von Kokos. Ein sehr amüsantes Erlebnis. Nach dem Käse sind die Geschmacksknospen jetzt wieder erfrischt und gut vorbereitet auf das Dessert.

 

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Statt Sorbet … kekinwien.at

 

Nashi Birne

Nashi Birne brauche ich überhaupt nicht. So gut wie nie bekommt man sie bei uns reif zu kaufen. Ihre Saftigkeit mag der der heimischen Birnen überlegen sein, aber die Ökobilanz … Sie kommt als Strudel. Wieder ein Tribut an die Österreichische Küche. Darüber luftige Misoplatten mit Joghurt, die schmecken wie saures Windgebäck, Verbene als Pulver darüber und Kardamoneis dazu. Ich nehme alles zurück. Das geht so nur mit Nashi. Ich bin wieder sprachlos vor Begeisterung.

 

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Nashistrudel. Dessert. Mraz und Sohn – kekinwien.at

 

Wir nehmen noch ein Glas Rotwein und Kaffee (Altwien). Wir wollen in die Verlängerung gehen. Nach sechs Gängen. Wir sind glücklich, satt, dankbar. Die Petits Fours schweben daher. Sie halten das Niveau des Menüs. Dann noch etwas Ungewöhnliches: Quittensaft im Römerglas und auf dem groben Holzbrett Schwarzbrot mit Ziegenkäse und Speck. Ein Mund voll Deftigkeit. Schmeckt rund, Saft dazu trinken, die Fruchtsäure federt das Schwere ab. Alles gut, aber für mich der falsche Zeitpunkt in der Speisenfolge oder schlicht zu viel.

Wir lehnen uns zurück. Schön war’s.

Vieles hat uns überrascht und begeistert. Manches wird für immer im Gedächtnis bleiben. Beim Abschied bekommt man die Speisekarte feierlich überreicht. Man wünscht sich insgeheim, hier mindestens ein Mal im Jahr Zeuge der Entwicklung der überaus spannenden, mutigen, kreativen Küche des Markus Mraz sein zu dürfen.

 

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Deftiger Schlusspunkt im Restaurant Mraz und Sohn – kekinwien.at

 

 

Mraz und Sohn

Wallensteinstraße 59, 1200 Wien
Tel.: +43 1 330 45 94
E – mail: restaurant@mrazundsohn.at
web: www.mraz-sohn.at

Öffnungszeiten: Mo bis Fr – 24.

 

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