Ich setze mich absichtlich nicht ganz nach hinten, wie sonst immer. Ich will drinnen sein in den Bildern, dem einmal so titulierten ‚Picasso des 21. Jahrhunderts‘: Gerhard Richter so nah wie möglich.
Nun, ich meine, das hat funktioniert, aber deshalb, weil der Film ist, wie er ist: eine Dokumentation der Extraklasse, die sich langsam aber stetig aufbaut, um vor unseren Augen wirkungsvoll zu explodieren, und die uns verändert zurücklässt.

Abgeklärt und überlegt wirkt der Maler auf mich, das ist der erste Eindruck, der zweite ist schelmisch, aufgrund seiner Mimik. Welch Mischung, denke ich mir.
Wie noch, fragt ihr? Das muss jeder für sich klären.

Man sieht Gerhard Richter bei der Arbeit. Er schmunzelt, oft, zieht Farbbahnen, tritt ein paar Schritte zurück, schaut skeptisch, denkt nach, malt wieder. Und wir als Zuseher haben das Privileg dabei sein zu dürfen, einzelne Schaffensprozesse mitverfolgen zu können, konkret bei zwei abstrakten Bildern des Jahres 2009, die von den Grundfarben rot, gelb und blau beherrscht sind vom ersten Pinselstrich bis zu ihrer Hängung.

‚Es ist ja eine heimliche Angelegenheit, dieses Malen…‘, sagt Richter, und sinniert darüber, welchen Einfluss die vorhandene Kamera auf ihn hat.
Ab und zu sind Klaviertöne zu hören, oder Streicher, insgesamt haben wir es mit reduzierten Klängen, die den Film begleiten, zu tun, dann wieder mit der Geräuschkulisse einer Vernissage, zu häufig und zu laut abdrückenden Fotografen, oder einer neugierigen Pressekonferenzteilnehmerin. Doch das eindringlichste Geräusch ist jenes, das Richter selbst mit dem Spatel erzeugt: WUSCH macht’s immer wieder. Es beginnt dumpf, kratzend, um sich dann wie ein Gewitter in einem lauten Wusch zu entladen.
Von ‚Zwischengefühlen, die Sau raus lassen beim Malen, dann warten, zeigen, schauen, ob’s jemand merkt?‘, ist die Rede.

Die Filmemacherin Corinna Belz beleuchtet neben der Atelierarbeit, den Job der Assistenten und Richters Netzwerk, seine Beziehungen zu Galeristen, Museumsdirektoren, Kunsthistorikern, etc. Schließlich sieht man auch seine Frau. Ab und an sind da, wo es inhaltlich passt, ältere Filmaufnahmen, mittlerweile historische Dokumente eingearbeitet.

Gerhard Richter Painting (einfach und genial der Titel) ist wie ich es mir gewünscht hatte:
ein intimes filmisches Porträt, fast möchte ich sagen entblößend – wusch – heiter – wusch – ernst – wusch – still – wusch – ergreifend und berührend.
Belz teilt ihren gewonnen Einblick in das Leben und Werk eines großartigen, denkräumeeröffnenden Malers unserer Zeit mit uns.

‚Fotos sind Eingriffe in unser Bewusstsein.‘, sagt Richter, ‚Eigentlich sollte er sie wegwerfen.‘ Stattdessen arbeitet er mit ihnen.
Drucker wollte er zuerst werden, berichtet der Künstler, dann Arzt, nein Zahntechniker, dann kam der erschreckende Realitätseinbruch nach der Tour durch die verschiedenen Betriebe gemeinsam mit seiner Mutter. Er erzählt von Schlüsselmomenten seines Lebens, an der Akademie, dass er seine Eltern nach seiner Flucht nie wieder gesehen hat, politischer Flüchtling war, etc.

Der Satz Richters: ‚Mann, macht das Spaß!‘ und eines seiner nahezu weißen Bilder markieren das Ende des Films.
Bravo, wie gelungen, kann ich da nur sagen.

 

Gerhard Richter Painting

2011, D, 97 min
Läuft derzeit exklusiv im Gartenbaukino

keker Tipp: Richters Gemälde sind weltweit in vielen namhaften Museen und Sammlungen zeitgenössischer Kunst vertreten. Zuletzt gab es heuer in der ersten Jahreshälfte anlässlich des 80. Geburtstags des Malers eine große Richter-Retrospektive mit dem Titel: ‚Panorama‘ in der Neuen Nationalgalerie in Berlin: http://www.gerhardrichterinberlin.org/index.php?id=1152

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