Der Blick auf Alexander Rodtschenkos Biografie bringt in mir gleichzeitig Neid und Mitleid zum Schwingen.
Der Blick auf sein fotografisches Schaffen in der Galerie WestLicht ist in Österreich erstmals möglich und überaus lohnend.
Der Neid überkommt mich, weil Rotschenko eine Art Universalgenie war.
Maler, Bildhauer, Grafiker, Fotograf, eine Lichtgestalt der russischen Avantgarde der 1920er Jahre.
Zur Fotografie gelangte er beinahe zufällig über die Fotomontage – und revolutionierte das Medium.
Der bis dahin nur die frontale Augenhöhe gewohnte Betrachter wurde zum Späher von oben, zum bewundernden Aufblicker, fand sich in die Diagonale geführt und mit ungewöhnlichen Sujets konfrontiert. Die Kontraste waren härter, deutlich wahrnehmbar der Einfluss des Konstruktivismus.
„Und die interessantesten Blickwinkel der Gegewart sind die von oben nach unten und von unten nach oben und ihre Diagonalen.“ A. Rodtschenko, 1928
Neidisch bin ich auch, weil der Künstler so unbedingt glauben konnte, dass Kunst die Welt verändern kann – und muss: „Der neue, schnelle und reale Reflektor der Welt, die Fotografie, sollte sich möglichst mit dem Abbilden der Welt von allen Punkten aus befassen […]. Um den Menschen zu einem neuen Sehen zu erziehen, muss man alltägliche, ihm wohl bekannte Objekte von völlig unerwarteten Blickwinkeln aus in unerwarteten Situationen zeigen“. A. Rodtschenko, 1928
Mitleid überkommt mich, wenn ich bedenke, dass der Künstler in den 1930er Jahren massiv kritisiert in einen Depression schlitterte. Nach dem Zweiten Weltkrieg musste seine Ehefrau die Familie ernähren, da für Rodtschenko Aufträge völlig ausblieben. Erst posthum erfolgte seine Wiederentdeckung durch das MOMA und 1987 wurde er zum erstem Mal in Finnland ausgestellt.
Über 200 Arbeiten werden gezeigt.
Die Ausstellungsarchitektur kommt mit den schwierigen räumlichen Bedingungen der WestLicht hervorragend zurecht und bespielt diesmal auch den musealen Bereich.
Neu ist auch die WestBar: jeden zweiten Freitag ab 14.6.2013 bis 9.8.2013 kredenzt man im Innenhof allerlei Alkoholisches zu Musik und lädt zu Spezialführungen ein.
Berückende Idee für den Sommer.
Nicht nur für Liebhaber der Leica, über die Rodtschenko 1930 sagte: „Von allen Apparaten funktioniert nur die Leica einwandfrei.“
ALEXANDER RODTSCHENKO
REVOLUTION DER FOTOGRAFIE
Westlicht. Schauplatz für Fotografie
Westbahnstraße 40, 1070 Wien
Tel.: 01 / 522 66 36
E-mail: info@westlicht.com
website: www.westlicht.com
Dauer der Ausstellung: 11.Juni bis 25.August 2013
Öffnungszeiten: Di, Mi, Fr 14.00 – 19.00 Uhr, Do 14.00 – 21.00 Uhr, Sa, So, Fei 11.00 – 19.00 Uhr
WestBar: 14.6., 28.6., 12.7., 26.7. und 9.8.2013 jeweils von 16.00 – 22.00 Uhr
Für Euro 10,00 gibt’s eine Führung durch die Ausstellung, einen Getränkegutschein und den Eintritt.
Kuratorin: Olga Swiblowa, Direktorin des Museums Moskauer Haus der Fotografie
Chefkuratorin der Westlicht: Rebekka Reuter
Die Retrospektive Alexander Rodtschenko wird anlässlich des 100-jährigen Jubiläums der Leica erstmals in Österreich präsentiert. Ermöglicht durch die Leica Camera AG und in Zusammenarbeit mit dem Museum Moskauer Haus der Fotografie.
„Biografie:
Alexander (Michailowitsch) Rodtschenko
5.12.1891 Sankt Petersburg – 3.12.1956 Moskau
Maler, Bildhauer, Bühnenbildner, Architekt, Typograf, Fotograf. Ein Hauptvertreter des
russischen Konstruktivismus und des Neuen Sehens. Fotografie mit der Leica; Montagen,
Reportagen und Porträts.
1910-14 Studium an der Kasaner Kunstschule. Dort Bekanntschaft mit seiner späteren
Lebensgefährtin Warwara F. Stepanowa (1894-1958). Ende 1915 Umzug nach Moskau und
ab 1916 Grafikstudium an der Stroganow-Schule für Angewandte Kunst. 1918 Übergang von
der abstrakten Malerei zu dreidimensionalen Konstruktionen. 1918-21 Mitarbeit in der
Abteilung für bildende Künste (IZO) des Kommissariats für Volksbildung. 1920
Gründungsmitglied des Moskauer INChUK (Institut für künstlerische Kultur). 1920-30 Lehrer
in der Metallklasse der WChUTEMAS/WChUTEIN (Höhere Künstlerisch-Technische
Werkstätten/Höheres Künstlerisch-Technisches Institut) Moskau. Hinwendung zu
Fotocollage und Grafikdesign. Entwürfe für Zeitschriften wie Kino-fot und LEF. 1924 erste
Kamerabilder, Porträts u.a. von Nikolai Assejew, Wladimir Majakowski, Sergej Tretjakow. Ab
1925 Fotobeiträge für Magazine 30 Dnej, Dajosch, Sowjetskoje foto. 1927-28 ständige
Mitarbeit bei Nowy LEF (Fotos, Titelentwürfe, Texte). 1928-32 Mitglied der Oktober-Gruppe.
1929 Teilnahme an der „Film und Foto“-Ausstellung des Deutschen Werkbunds in Stuttgart.
1933 Reise nach Karelien im Auftrag von SSSR na stroike (UdSSR im Bau), um für die
Illustrierte an einer Reportage über den Bau des Weißmeer-Ostsee-Kanals zu arbeiten. Mit
Stepanowa Gestaltung mehrerer Nummern der Zeitschrift. Auch Gestaltung und Konzeption
von Büchern, u.a. für den Verlag Isogis. 1935-41 Reportage über die Sportparade auf dem
Roten Platz sowie Fotoserien „Moskau“ und „Zirkus“. 1935 Einladung zur Teilnahme an der
Ausstellung „Meister der Sowjetischen Fotografie“. 1943-44 künstlerischer Leiter am Haus
der Technik. 1951 Ausschluss aus dem Moskauer Künstlerverband (MOSSCh). 1955
rehabilitiert.“ (WestLicht. Schauplatz für Fotografie)