Die Krise ist noch nicht gegessen.
Noch ist nicht wirklich Frühling und die Mittelmeerinsel Zypern ist auch noch nicht über den Berg.
Aus Zypern kommende Kartoffeln erfreuen jetzt im April beim Einkauf auf dem Markt, während wir auf heimische Frühkartoffeln noch ein bis zwei Monate warten werden müssen.
Dabei schmecken frische Kartoffeln, begleitet von ‘Frühlings-eiern’, ‘Frühlings-frischkäse’ sowie Spinat, Bärlauch und ersten Kräutern besonders verführerisch.
Zypern ist seit jeher für seine Fruchtbarkeit bekannt. Trotz einer Vielzahl an angebauten Früchten sind Kartoffeln das bei weitem wichtigste Landwirtschaftsprodukt, das exportiert wird. In Zypern mag viel Schwarzgeld liegen, den Kartoffeln haftet die auffallend rote Erde an, woran sie am Markt gut zu erkennen sind. Geerntet werden sie auf der klimabegünstigten Insel bereits ab Jänner, wenn es dort landschaftlich besonders schön sein soll. Jetzt hat Zypern satte Sommer-Temperaturen.
Vor nicht all zu langer Zeit galt bei Kartoffeln ‘Pfanni’ als gute Qualität, heute haben wir schon mehr Ahnung von der Welt und schauen lieber darauf, ob Kartoffeln aus dem Waldviertel oder dem Lungau kommen. Kartoffeln mögen nämlich nicht nur gute Erde, sondern auch ein raues Klima. Der zyprische Winter dürfte da etwa dem Lungauer Sommer gleichkommen. Im Lungau sagt man übrigens Earchtling, in weiten Teilen Österreichs und der Schweiz Erdäpfel, mancherorts Erdbirn oder Grundbirn.
Wo werden am meisten Kartoffeln angebaut?
Natürlich in China, gefolgt von Indien! Dort sind sie nicht Grundnahrungsmittel wie Reis und Getreide, sondern werden in der Küche wie Gemüse verwendet. Ein Kartoffelcurry schmeckt mindestens so gut wie ein Kartoffelgulasch, und in China werden die Kartoffeln in feine Stäbchen geschnitten im Wok gebraten. Gebraten, ohne sie vorzukochen, sind Kartoffeln übrigens noch gesünder als gedämpft. Beim Kochen in Wasser landet einiges der gesunden Inhaltsstoffe im Kochwasser und man sollte das nicht verschwenden, sondern zumindest zum Blumengießen verwenden.
‘Kartoffeln wachsen eh unter der Erd, was brauch i da bio!’ mag mancher denken. So einfach ist es wieder einmal nicht, Biokartoffeln enthalten ca. ein Drittel weniger Nitrat als konventionelle. Zudem werden Kartoffeln nach der Ernte zur Austriebsverzögerung mit oft sehr bedenklichen Chemikalien behandelt, das ist bei Bioware verboten. Dadurch brauchen sich die Handelsketten nicht mehr sonderlich um die Lagerung bemühen, während man im Biosupermarkt früher erste Triebansätze findet. Wenn die Kartoffel noch hart ist, kann man die Triebe wegbrechen und die Kartoffel trotzdem noch essen. Haben die Kartoffeln grüne Stellen, ist sie giftig.
Treibende Knollen kann man in Erde setzen und hoffen, dass daraus Kartoffelpflanzen werden, die eine reiche Ernte bringen. Zum selber Anbauen eignen sich alte Sorten, die nicht für die Massenproduktion geeignet sind, besonders gut.
Es hängt von den Klimabedingungen und der Art der Erde ab wie die Kartoffeln schmecken, ob sie mehr oder weniger Stärke haben und wie sie sich beim Kochen verhalten, aber natürlich auch von der Sorte. Das Wort ‘speckig’ wollen Supermarktverkäuferinnen gar nicht in den Mund nehmen, das könnte sich ja alleine schon davon an den Hüften anlegen, darum heißt das jetzt ‘festkochend. Wir schweigen und genießen die speckige ‘Sieglinde’ und ‘Ditta’ für Salat, Bratkartoffeln und Aufläufe. Von tausenden alten Sorten erwähne ich die rotschalige ‘Rosa Tannenzapfen’, die außen und innen blaue ‘Blue Salad Potato’ oder die ‘Linzer Delikatesse’, die eine der rhizomartig wachsenden Kipflertypen ist.
Vorwiegend fest kocht sich in unseren Töpfen meist die ‘Bintje’ oder die rotschalige ‘Desiree’. Sortenalternativen für Salzkartoffeln, Eintöpfe und Suppen wären: ‘Goldsegen’, ‘Roseval’, ‘Mühlviertler Blaue’… . Für’s Püree und den Kartoffelteig bleibt vielfach nur die ‘Agria’, als ‘sehr mehlig’ gelten ‘Pluto’ und ‘Merkur’.
Die meisten Geschäfte wie Marktstände bieten nur je eine der verbreiteten Sorten von ‘mehlig’ und ‘vorwiegendfestkochend’ (vfk) an. Am Naschmarkt bekommt man Kipfler und Blaue Kartoffeln beim freundlichen Stand von Dogan & Acer. Am samstäglichen Karmelitermarkt wird mit speziellen Sorten mehr Aufwand getrieben.
Kartoffeln lagert man zwischen 15 Grad und vier Grad Celsius (darunter werden sie süßlich), dunkel, trocken und luftig. Also wieder einmal in keinem Fall im Kühlschrank! Die Anbau-Energiebilanz von Kartoffeln ist übrigens wesentlich besser als die von Reis. Isst man bewusst, isst man öfter Kartoffeln, vielleicht nach südamerikanischen Rezepten, wo sie ihre ursprüngliche Heimat haben.
Wir Konsumenten zahlen im Handel etwa das Vier- bis Achtfache, das die österreichischen Bauern für ihre Kartoffeln bekommen. Darum ist der Kauf beim Direktvermarkter am Bauernmarkt eine gute Alternative, so wie die ‘Kartoffeldealer’, die auf facebook zu finden sind.
Für Knödel, Wuzerl, Nockerl (Gnocchi) sollte man jetzt unbedingt auf österreichische der Erne 2012 zurückgreifen. Kartoffelteig aus frischen ‘Heurigen’ ist nämlich in jedem Fall zum Scheitern verurteilt.
Und jetzt denke bitte niemand, der nicht gerade in Brüssel ist, an Pommes frites!
Liste der in Österreich in der Landwirtschaft zugelassenen Sorten:
http://www.baes.gv.at/pflanzensorten/oesterreichische-beschreibende-sortenliste/kartoffel/
Lokale, alte und erhaltenswürdige Sorten die vom Aussterben bedroht sind:
http://sortenhandbuch.arche-noah.at/suche/nach?utf8=%E2%9C%93&query=kartoffel
Pflanzenmarkt im Botanischen Garten
19., 20. und 21. April von 9.30 – 18.00 Uhr
http://netzwerk.arche-noah.at/index.php?article_id=9&eid=813