In Hannah Arendt portraitiert Margarethe von Trotta wieder eine große historischen Frauenpersönlichkeit, diesmal eine große Philosophin.
Und die erneute Zusammenarbeit mit Barbara Sukowa war ebenfalls eine hervorragende Idee.
Eine großartige Schauspielerin begeistert als ebensolche Denkerin.
Hannah Arendt lebt glücklich mit ihrem zweiten Mann umgeben von einem Freundeskreis aus Intellektuellen in New York. Die Jüdin Arendt studierte unter anderem bei Heidegger in Magdeburg Philosophie und Theologie und konnte gerade noch rechtzeitig als junge Frau 1929 nach einer kurzen Inhaftierung durch die Gestapo Deutschland verlassen.
Als 1961 Adolf Eichmann, dem „Leiter der Zentralstelle für jüdischen Auswanderung“ in Israel (!) der Prozess gemacht wird, unterbricht Arendt ihre Lehrtätigkeit und reist im Auftrag des renommierten Magazins The New Yorker zur Prozessbeobachtung nach Jerusalem.
Sie ist fassungslos, ob der „Banalität des Bösen“ (Hannah Arendt). Anstatt als bestialisches Monster stellt sich Eichmann im Prozess geschickt als dumpfer Befehlsempfänger dar, als gedankenloser Logistiker der Judentransporte und durchschnittlich intelligenter Erbsenzähler. Trotz ihrer persönlichen Geschichte versucht Hannah Arendt objektiv zu bleiben und beleuchtet in ihren Überlegungen nach dem Prozess auch die Rolle der Anführer der Jüdischen Gemeinden im Holocaust.
Ein Sturm der Entrüstung entfesselt sich schon nach der Veröffentlichung des ersten Artikels der fünfteiligen Serie…
Obwohl Hannah Arndt für ihre Artikelserie und das nachfolgende Buch „Eichmann in Jerusalem“ über 6000 Seiten Prozessakten studierte, ging sie dem begabten Lügner Eichmann letztlich auf den Leim. Doch dass die Verbrechen des SS-Mannes ideologisch motiviert waren und er aus Überzeugung zum Organisator des Massenmordes wurde, konnte der Welt erst nach Freigabe der Sassen-Bänder und der Argentinien-Papiere 1998 klar werden. Selbst ein so unabhängiger, brillanter Geist wie der Hannah Arendts konnte dies nicht zweifelsfrei erkennen.
Einen sehr wortlastiger Film über eine Philosophin zu machen, der man minutenlang beim Denken zusehen und acht Minuten lang anlässlich einer Defensio vor ihren Studenten zuhören kann, war mutig von Margarethe von Trotta und ihrer Co-Autorin Pamela Katz. Ohne ein hervorragendes Ensemble, die stupende Leistung Barbara Sukowas (deutschen Filmpreis für die „beste weibliche Hauptrolle“) und den Luxus teilweise an Originalschauplätzen zu drehen, hätte dieses Unterfangen auch gehörig schief gehen können. Auch die Tatsache, dass die von Steven Spielberg initiierte Survivors of the Shoah Visual History Foundation das Original-Filmmaterial des Eichmann-Prozesses zur Verfügung stellte und die Möglichkeit zu ausführlichen Interviews mit Zeitzeugen, erweisen sich als Glücksfall für die Umsetzung.
Obwohl die Anfangs- und besonders die Schlusssequenz weder inhaltlich noch filmisch geglückt sind, und obwohl das Drehbuch ein, zwei mutige Striche vertragen hätte, ist dem Team um Margarethe von Trotta ein sehenswerter und berührender Film gelungen.
Für Menschen, die Geschichte (vgl. Bruno Kreisky) und aus der Geschichte lernen.
Danach passt ein Besuch in der Filmbar, im Restaurant ella’s mit Blick auf das Holocaust-Mahnmal am Judenplatz, davor einer in neuen Café Eskeles im Jüdischen Museums.
Hannah Arendt
2013, Belgien/Deutschland/Frankreich/Israel, 113 min
Drehbuch: Margarethe von Trotta, Pamela Katz
mit Barbara Sukowa, Axel Milberg, Janet McTeer, Julia Jentsch, Ulrich Nothen, Michael Degen,….
FSK 6 Jahre; sinnvoll wohl eher ab der Unterstufe.
Hannah Arendt läuft in einigen Wiener Kinos.