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Flying High

Es ist kaum zu glauben, aber Flying High, die aktuelle Ausstellung im UniCredit Bank Austria Kunstforum Wien, ist tatsächlich die erste Schau, die sich den weiblichen Positionen der internationalen Art Brut von 1860 bis heute widmet. 316 Werke von 93 Künstlerinnen aus 21 Ländern sind zu sehen. Mehr als ein keker Blick auf Höhenflüge und Bestürzendes …

im Foyer der Kunstforum Bank Austria, Arbeiten von Misleidys Castillo Pedroso, Foto (c) Claudia Busser - kekinwien.at

im Foyer der Kunstforum Bank Austria, Arbeiten von Misleidys Castillo Pedroso, Foto (c) Claudia Busser – kekinwien.at

 

Tatsächlich: Flying High?

Am ersten offiziellen Öffnungstag der am 15. Februar 2019 auf der Freyung eröffneten Überblicksschau herrscht bereits in der ersten Stunde reges Publikumsinteresse. Der überwiegende Teil der Besucher ist weiblich. Frauen interessieren sich für die Arbeiten von Frauen. KunstliebhaberInnen betrachten die Werke von Künstlerinnen, die unter besonderen Umständen arbeiteten und schaffen. Damit meine ich nicht die psychischen Beeinträchtigungen der Kunstschaffenden, sondern den teils beschämenden Umgang mit ihnen und ihrem Werk.

Der „Höhenflug“ bezieht sich tatsächlich und zu Recht auf die Qualität der gezeigten Exponate und auch auf die ausgezeichnet gelungene Ausstellungskonzeption. „Hoch fliegend“ im Sinne von wunderbar war und – wohl auch noch teilweise – ist der Umgang mit psychisch Kranken, insbesondere den Frauen unter ihnen nicht. Die aus den Kliniken gesandten Briefe der Insassinnen, die ebenfalls Teil der Ausstellung sind, legen ein beredtes Zeugnis über die Zustände in psychiatrischen Einrichtungen der Vergangenheit und die damalige Herangehensweise der behandelnden Psychiater ab. Gut, dass vieles besser geworden ist seit 1860!

 

Flying High, Ausstellungsansichten (c) Nilo Klotz

Flying High, Ausstellungsansichten (c) Nilo Klotz

 

Art Brut

Den Begriff „Art Brut“ prägte der Künstler Jean Dubuffet im Jahr 1945. Er war wie viele seiner KünstlerkollegInnen fasziniert von der nicht akademischen Kunst und sammelt diese auch. Man kann seine Begeisterung gleich beim Betreten der Ausstellung nachvollziehen.

Im ersten Raum wird man von einem beeindruckenden Dinosaurier (Julia Krause-Harder, Nanotyrannus, 2013) begrüßt. Materialwahl und Farbgebung zeugen von einer grundlegenden Erfassung des Wesens des Urzeitbewohners. Und auch die beiseitig auf Papier ausgeführten, farbenfrohen phantastischen Prinzessinnen und Prinzen von Aloïse Corbaz werden so manches Auge erfreuen. Umblättern erwünscht!

 

Flying High, Ausstellungsansichten, Julia Krause-Harder, Nanotyrannus, Bild (c) Nilo Klotz

Flying High, Ausstellungsansichten, Julia Krause-Harder, Nanotyrannus, Bild (c) Nilo Klotz

 

Die Kunst und ihre Bewunderer

Ein älteres Ehepaar teilt einander ebenso enthusiastisch wie unüberhörbar die jeweilige Begeisterung über das Gesehene mit. „Sieh mal, diese feinen Linien, da wird man ja verrückt!“ Die Aussage entbehrt angesichts der „Erzeugnisse Geisteskranker“ (so die historische Sichtweise) nicht einer gewissen Komik.

Das Manische, Kleinteilige, Rhythmische würden man aber noch in viel größerem Ausmaß erwarten. Genau so wie ich über mein eigenes Klischee im Kopf stolperte, weil die Vorstellung von Art Brut vorwiegend wild, großformatig, ungezügelt war. Tatsächlich sind die Techniken, die Materialwahl und Ausdrucksformen ausgesprochen vielfältig. Auffallend und nachvollziehbar ist der deutliche Anteil an textilen Arbeiten.

 

Flying High, Ausstellungsansicht, Bild (c) Nilo Klotz

Flying High, Ausstellungsansicht, Bild (c) Nilo Klotz

 

Flying High berührt.

Es „hilft“ die Ausstellung in zweierlei Art und Weise aufzunehmen. Erstens als historischen Rückblick auf die Entwicklungen in der Psychiatrie, auf die Stellung der Frau und der weiblichen Künstlerin an sich. Aber zweitens auch losgelöst vom Kontext, ganz simpel als höchst fällige Werkschau großartiger Künstlerinnen.

Tatsächlich hat sich der Begriff „Art Brut“ in der Vergangenheit ja auch aus dem Kontext Psychiatrie lösen können. So wie aus den geschlossenen Anstalten von damals heute offene Ateliers und Studios ohne künstlerische Einflussnahme wurden. Wenn Kunst im Betrachter entsteht, dann hat dieser mit „Flying High“ ein hochkarätiges Kunstvergnügen vor Augen.

Ein Aspekt vielleicht noch: So weit ich weiß, bekommen die KünstlerInnen in Gugging 50 Prozent der Erlöse aus ihren Arbeiten. Manche der im Kunstforum Bank Austria gezeigten Werke konnten nur unvollständig mit Namen oder Lebensdaten beschriftet werden. Die Entlohnung der Künstlerinnen wird nicht beleuchtet.

Fazit: Endlich. Weibliche Art Brut.
Flying High im UniCredit Bank Austria Kunstforum ist eine zwar überfällige, aber ausgesprochen gut gelungene Bestandsaufnahme von internationalem Format.

 

Flying High, Kataloge im Shop des Kunstforums - kekinwien.at

Flying High, Kataloge im Shop des Kunstforums – kekinwien.at

 

 

 

Flying High: Künstlerinnen der Art Brut

Bank Austria Kunstforum Wien
Freyung 8, 1010 Wien
Tel.: +43 1 537 33 26
E-mail: office@kunstforumwien.at
web: www.kunstforumwien.at

Öffnungszeiten: täglich 10.00 – 19.00 Uhr, Freitag 10.00 – 21.00 Uh
Die Ausstellung läuft seit 15. Februar und noch bis zum bis 23. Juni 2019!
Preise: regulär Euro 11,00; viele Ermäßigungen

Die AusstellungsmacherInnen:

  • Kuratorinnen: Ingrid Brugger und Hannah Rieger
  • Assistenzkuratorin: Veronika Rudorfer
  • Ausstellungsmanagement: Veronika Chambas-Wolf mit Barbara Gilly und Philipp Emanuel Missaghi
  • Ausstellungsdesign: deline – Rupert Müller

Ausstellungsbereiche: 

  • historischen Sammlungen der Psychiater Walter Morgenthaler (Stiftung Psychiatrie-Museum 
Bern)
  • Hans Prinzhorn (Universitätsklinikum Heidelberg).
  • Sammlung von Jean Dubuffet (Collection de l’Art Brut, Lausanne)
  • Sammlung L’Aracine (LaM, Lille Métropole Musée d’art moderne, d’art contemporain et d’art brut, Villeneuve d’Ascq)
  • bedeutenden internationalen und österreichischen Privatsammlungen

Führungen, Beispiele:

  • LunchArt:  jeweils dienstags, 12.30 – 13:00 Uhr
  • Kunstgenuss-Spezial: jeweils freitags, 18.30 – 19.30 Uhr

Künstlerinnen der Ausstellung:

Keiko Abe …………………………………………(*1937)
Meta Anderes ……………………………………(1874–1927)
Perihan Arpacilar………………………………..(*1949)
Laila Bachtiar …………………………………….(*1971)
Beverly Baker…………………………………….(*1961)
Jacqueline Bartes ………………………………(*1928)
Marie Anna Beer ………………………………..(Lebensdaten unbekannt)
Else Blankenhorn ……………………………….(1873–1920)
Pearl Blauvelt…………………………………….(1893–1987)
Thérèse Bonnelalbay…………………………..(1931–1980)
Madame Bouttier ……………………………….(1839–1921)
Ida Buchmann …………………………………..(1911–2001)
Marguerite Burnat-Provins …………………..(1872–1952)
Helen Butler Wells………………………………(1845–1940)
Misleidys Castillo Pedroso……………………(*1985)
Aloïse Corbaz ……………………………………(1886–1964)
Bridget Cronnin………………………………….(Lebensdaten unbekannt)
Louise Deci……………………………………….(1846–1919)
Barbara Demlczuk ……………………………..(Lebensdaten unbekannt)
Adelheid Duvanel ……………………………….(1936–1996)
Madame Favre…………………………………..(Lebensdaten unbekannt)
Marie von Fischer-von Sinner……………….(1868–1956)
Miss G. …………………………………………….(Lebensdaten unbekannt)
Jill Galliéni …………………………………………(*1948)
Madge Gill…………………………………………(1882–1961)
Frau Gr. ……………………………………………(Lebensdaten unbekannt)
Martha Grunenwaldt …………………………..(1910–2008)
Guo Fengyi ……………………………………….(1942–2010)
Emma Hauck …………………………………….(1878–1920)
Margarethe Held ………………………………..(1894–1981)
Hanna Hellmann ………………………………..(1877–unbekannt)
Ilse Helmkamp …………………………………..(Lebensdaten unbekannt)
Magalí Herrera …………………………………..(1914–1992)
Martha Hoge……………………………………..(1876–unbekannt)
Gertrude Honzatko-Mediz……………………(1893–1975)
Nina Karasek …………………………………….(1883–1952)
Katharina ………………………………………….(um 1910–unbekannt)
Yumiko Kawai……………………………………(*1979)
Margaret Knox Tisdall …………………………(1883–unbekannt)
Julia Krause-Harder ……………………………(*1973)
Emma Kunz ………………………………………(1892–1963)
Solange Lantier………………………………….(1906–1987)
Marie Lieb…………………………………………(1844–unbekannt)
Marie-Rose Lortet ………………………………(*1945)
Elise Mahler ………………………………………(1862–1945)
Ida Maly ……………………………………………(1894–1941)
Rosa Marbach …………………………………..(1881–1926)
Emma Marti ………………………………………(1870–1949)
Simone Marye……………………………………(1890–1961)
Emma Mohr………………………………………(1833–unbekannt)
Sister Gertrude Morgan……………………….(1900–1980)
Megumi Otori …………………………………….(*1994)
Teresa Ottallo ……………………………………(Lebensdaten unbekannt)
Giuseppina Pastore…………………………….(1940–2000)
Marilena Pelosi…………………………………..(*1957)
Aline von Perfall………………………………….(1855–1939)
Laure Pigeon …………………………………….(1882–1965)
Gwenydd Powell………………………………..(um 1889–um 1931)
Helen Meta Hannah Prager………………….(1854–1929)
Maria Puth ………………………………………..(1894–1978)
Helene Reimann…………………………………(1893–1987)
Sigrid Reingruber ……………………………….(*1980)
Stephanie Richards…………………………….(1850–unbekannt)
Karoline Rosskopf………………………………(1911–unbekannt)
Jane Ruffié………………………………………..(1887–nach 1963)
Alma Rumball…………………………………….(1902–1980)
Manuela Sagona………………………………..(*1977)
Chiyuki Sakagami ………………………………(1961–2017)
Clara Schuff ………………………………………(1893–1987)
Constance Schwartzlin-Berberat…………..(1845–1911)
Judith Scott ………………………………………(1943–2005)
Franca Settembrini……………………………..(1947–2003)
Mary T. Smith ……………………………………(1904–1995)
Frau St……………………………………………..(Lebensdaten unbekannt)
Hedwig von Steinitz ……………………………(Lebensdaten unbekannt)
Barbara Suckfüll…………………………………(1857–unbekannt)
Tae Takubo……………………………………….(*1986)
Josefa Tolrà ………………………………………(1880–1959)
Louise Tournay ………………………………….(1925–2010)
Jeanne Tripier ……………………………………(1869–1944)
Gabriele Urbach…………………………………(Lebensdaten unbekannt)
Vorstadt-Gräfin (Elisabeth)……………………(1908–unbekannt)
Hedwig Wilms……………………………………(1874–1915)
Johanna Wintsch ……………………………….(1871–1944)
Agatha Wojciechowsky ……………………….(1896–1986)
Bertha Wuilleumier……………………………..(1907–1999)
Anna Zemánková……………………………….(1908– 1986)
Henriette Zéphir …………………………………(1920–2012)
Baronin Zerheimb ………………………………(1856–unbekannt)
Birgit Ziegert ……………………………………..(1966–2017)
Frau von Zinoview………………………………(Lebensdaten unbekannt)
Unica Zürn ………………………………………..(1916–1970)

Dieser Beitrag entstand in freundlicher Zusammenarbeit mit der UniCredit Bank Austria AG.
(Beitragsbild: Flying High, Art Brut, Eingangsbereich des Kunstforums Bank Austria, Kunstwerke von Misleidys Castillo Pedroso, Bild (c) Claudia Busser – kekinwien.at)

 

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