Zwei Theaterstücke, Martin Schörle

Zwei Theaterstücke, Martin Schörle, Bild (c) kekinwien.at

Zwei Theaterstücke, Martin Schörle

Eskalierendes Beamtenmikado und zarte Jugendliebe

Ausnahmsweise habe ich mich das erste Mal direkt von einem neuen Autor ansprechen lassen, um sein Werk zu rezensieren, und ich muss sagen, ich habe mich wider Erwarten richtig gut amüsiert. Zwei Theaterstücke, Martin Schörle.

Der Autor präsentiert dem Leser zwei Theaterstücke, von denen ersteres Nichtalltägliches aus dem Leben eines Beamten in Hamburg den zweiten Platz bei einem Autorenwettbewerb erreichte. In diesem Stück konzipiert Schörle den Prototypen des eskalierenden deutschen Beamtentums namens Fredenbek, der ziemlich verbissen auf der Bühne über sein Leben monologisiert.

Dabei habe ich einiges gelernt, denn der typische deutsche Beamte unterscheidet sich im Wesen doch sehr stark vom österreichischen Pendent. Er ist analfixiert, zwänglerisch und hat das enge Regelwerk, das in seinem Job angewendet werden muss, quasi auch privat internalisiert. Die fixen Normen reichen bis in den letzten Winkel seines Daseins. Der typische österreichische Beamte geht selten so in seinem Job auf, im Gegenteil, meistens hasst er ihn. Er wendet Regeln situationselastisch an, wenn es ihm passt, ist korrupt, obrigkeitshörig, buckelt nach oben und tritt nach unten – das ist sein zentrales Wesen.

Der Charakter Fedenbek ist richtig mühsam, extrem sprunghaft in seinen Ausführungen und Bemühungen, Analogien heranzuziehen, und verheddert sich ganz in seinem persönlichen Gedankengewirr aus Aktenzeichen, Dienstverordnungen und statistischen Erhebungen. Das hat mich als unbeamtete „normale“ Leserin ab und an gestört, weil ich manchen Ausführungen einfach nicht mehr folgen konnte. Aber die Figur ist sehr konsistent und authentisch konzipiert. Bei den völlig wahnwitzigen Theorien und geschilderten Aktionen blitzt auch ein bisschen irrsinniger Humor hervor, ungewollt natürlich aus Fredenbeks Sicht. So stellt unser Paradebeamter die Hypothese auf, dass der Radiergummi Angst vor Abrieb hat und sich deshalb auf dem Schreibtisch versteckt. Zu diesem Zeitpunkt kam mir sofort der Wunsch an den Autor in den Sinn, er möge mir auch gleich das Motiv von einzelnen Socken erklären, die ständig aus meiner Waschmaschine verschwinden.

Fredenbek stellt sogar den Paradezwängler Monk in den Schatten, denn er hat auf Grund seiner Beamtenmacht und der Ausnützung derselben, nicht nur eine wahnhafte, sondern auch eine sehr boshafte Ader. Am fiesesten, köstlichsten und am groteskesten ist die Szene im Urlaub in Italien auf der Bahnhofstoilette, in der er die Situation konstruiert, Urlaub vom Urlaub zu nehmen und amtliches Hoheitsrecht auf einem okkupierten Häusl auch noch zweisprachig zu übernehmen und auszuüben. Eine Szene muss ich mir auch noch merken, wie frau ungewollte Verehrer perfekt und fies abperlen lassen kann:

Und sie: „Ich bin lesbisch“, und er: „Oh, das hab ich nicht gewusst“, und wieder sie: „Ist auch gerade erst passiert.“

Im zweiten Theaterstück Einladung zum Klassentreffen ruft Carsten seine alte unvergessene Jugendliebe Marina zwecks bereits im Titel genannter Einladung an. Es entspinnt sich ein entzückender Dialog, der sowohl die Vergangenheit der beiden, als auch ihre gescheiterten Beziehungen der Gegenwart in Kurzform aufrollt.

Genauso wie es eben im echten Leben zwischen Menschen, die sich früher sehr nahe waren und fast unmittelbar an der Vergangenheit anknüpfen können, passieren kann. Dabei ist diese kleine Telefonromanze keine Sekunde peinlich, langweilig oder kitschig und zudem meiner Meinung nach weit besser, als dieser unsägliche e-Mail-Liebesroman von Daniel Glattauer. Selbstverständlich gibt es auch noch ein kleines, aber doch banales vorläufiges Happy-End. Genauso wie in der Realität nicht mit Paukenschlag, sondern recht vorsichtig.

Fazit: Ich habe die beiden Theaterstücke gern gelesen. Wenn Ihr einen neuen Autor fördern möchtet, diesen kann ich durchaus empfehlen.

 

 

Collage zu: Zwei Theaterstücke von Martin Schörle, Bild (c) Alexandra Wögerbauer-Flicker - kekinwien.at

Collage zu: Zwei Theaterstücke von Martin Schörle, Bild (c) Alexandra Wögerbauer-Flicker – kekinwien.at

 

 

Zwei Theaterstücke, Martin Schörle

Buchdetails

  • ISBN: 9783960084082
  • Sprache: Deutsch
  • Ausgabe: Flexibler Einband
  • Umfang: 119 Seiten
  • Verlag: Engelsdorfer Verlag
  • Erscheinungsdatum: 6.12.2016
  • gesehen um Euro 9,50

(Beitragsbild: Collage zum Buch von Martin Schörle, Zwei Theaterstücke, Bild (c) Alexandra Wögerbauer-Flicker – kekinwien.at)

 

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