Gregor Bloéb (Johann "Rukeli" Trollmann), Raphael von Bargen (Reinhard Wolf) © Erich Reismann

Der Boxer. Ein zweitgeteilter Abend, in jeder Hinsicht.

Felix Mitterer erzählt in „Der Boxer“ das Schicksal des deutschen Meisters in der Nazizeit, frei nach dem Leben des Sinti Johann „Rukeli“ Trollmann, dargestellt von Gregor Bloéb.
Wir waren bei der Uraufführung am 29.1.2015.

Zum Inhalt: „Im Juni 1933 kommt es beim Boxkampf um den deutschen Meistertitel im Halbschwergewicht zum Eklat. Johann ‚Rukeli‘ Trollmann, der einer Sinti-Familie entstammt, punktet mit seinem schnellen, für damalige Zeiten ungewöhnlichen Boxstil in jeder Runde. Doch die Jury betrachtet die Leistungen der Kämpfer als ungenügend und weigert sich den Kampf zu werten: Der Boxstil des Zigeuners entspreche nicht dem deutschen Faustkampf. Nur aufgrund massiver Proteste der Zuschauer wird Rukeli Trollmann schließlich doch zum Deutschen Meister ernannt, kurz darauf wird ihm der Titel ‚wegen schlechten Boxens‘ wieder aberkannt. Rukelis vielversprechende Boxkarriere ist unter dem nationalsozialistischen Regime jäh zu Ende, mit blankem Zynismus erinnert man sich ihrer. Im KZ wird Rukeli gezwungen, für die SS gegen andere Häftlinge zu boxen. Wer verliert, stirbt. Rukeli stirbt im Jahr 1944.“ (website Theater in der Josefstadt)

Gregor Bloéb (Johnann "Rukeli" Trollmann), Hilde Dalik (Olga Bilda, deutsche Frau von Rukeli) © Erich Reismann

Das Wechselbad der Gefühle 

Es wird sich keiner zu sagen trauen, weil das schwierige Thema, der berühmte Autor, der Nestroypreisträger als Hauptdarsteller, aber ich sage es: Die erste Hälfte vor der Pause schwächelte. Und wir waren zu dritt da, pia und ich auf der Galerie und wol im Parkett. Es hat keine von uns ganz erreicht, immer wieder fiel man aus dem Text, der seltsam anspruchslos formuliert scheint. Aber man richtete sich am guten Spiel der Darsteller auf, am gelungenen Bühnenbild, das vieles ungemein elegant löst. Licht, Ausstattung, Bühnenbau und oft auch die Regie schafften eindrucksvolle Bilder.

Danach, beim Absacker in der Bar Tür 7 fragten wir uns: Warum funktioniert es nicht, dieses Stück? Will ich nicht mehr berührt werden? Weil das Sich-Wehren gegen Rechts besonders in diesen Tagen gerade ebenso anstrengend, wie nötig ist? Liegt es am Promiauflauf – die Eckert, die Proll, der Schenk, der Moretti, der Ostrowski – dem Blitzlichtgewitter, dass man abgelenkt ist? Waren unsere Erwartungen zu hoch?

Da wimmelt es von NestroypreisträgerInnen, aber die poetischen Momente gehören der Zeitzeugin.

Dann nach der Pause, wenn Rukeli im KZ ist, ist alles anders: das Schicksal des Boxers reißt einen mit, seines, das der Roma und Sinti, das der Millionen Ermordeten. Im Theater ist es so still, als dürfte man nicht einmal mehr atmen vor Betroffenheit. Und wie sagt es Guido Tartarotti so treffend in seiner Nachtkritik im Kurier: „Der stärkste Moment des Abends ist jedoch dann da, wenn ein Originaltext der Überlebenden Ceija Stoijka zu hören ist: Das kleine Mädchen, das im Körper einer Toten Schutz vor dem Erfrieren sucht – SO war KZ. Man sitzt im warmen Plüsch der Josefstadt und kämpft mit den Tränen.“
Lang anhaltender Applaus, Jubel.

Fazit: Hingehen. Anschauen. Ich denke darüber nach, ob ich es nicht am Ende der Laufzeit des Stücks noch einmal tue …

 

 

Der Boxer

Theater in der Josefstadt
Josefstädterstraße 26, 1080 Wien
Tel: 01 / 427 00 300
web: www.josefstadt.org – super website, sehr benutzerfreundlich und informativ!

Autor: Felix Mitterer
Regie: Stephanie Mohr, Nestroypreisträgerin
(Mohr, Bloéb und Mitterer waren schon in Jägerstätter ein gutes Team. Was dort aus einem Guss war, hätte hier noch ein wenig Zeit und Feinschliff gebraucht für mich, aber das kann ja noch kommen.)
Bühnenbild: Florian Parbs
Box-Coach und Boxchoreographie: Ernst Dörr

Besetzung:

  • Johann „Rukeli“ Trollmann, Sinto, Boxer: Gregor Bloéb – zuerst verführerisch charmant, voller Lebensfreude, dann berührend und erschütternd, immer wahrhaftig sein Spiel, auch der Aspekt des Athleten; das Stück verdankt seiner Leistung viel.
  • Reinhard Wolf, Boxer, später SS – Obersturmbannführer und Lagerkommandant: Raphael von Bargen – ducrhtrainiert, deutsch, erliegt er nicht der Versuchung zu übertreiben, Chapeau.
  • Olga Bilda, deutsche Frau von Rukeli: Hilde Dalik – hat in der ersten Hälfte nicht viele Chancen durch die Blassheit ihrer Figur, kann aber durch die Worte Ceija Stoijkas nach der Pause mitten ins Herz treffen.
  • Vater Wilhelm „Schnipplo“: Michael König
  • Mutter Friederike „Pessi“: Elfriede Schüsseleder – große Präsenz vom ersten Augenblick an
  • Bruder Wilhelm „Carlo“/Kid Francis: Ljubiša Lupo Grujčić
  • Bruder Heinrich „Stabeli“; Matthias Franz Stein
  • Heinz Harms, Polizist bei der „Zigeunerzentrale“ in Hannover: Peter Scholz – gibt den Mitläufer und Wendehals, diesen gefährlichsten Typen in der Maschinerie aller Regime so nahe und glaubhaft, dass es einem die Gänsehaut aufzieht; beeindruckend.
  • Dr. Robert Ritter, Leiter der Rassenhygienischen Forschungsstelle: Dominic Oley – Der „Dr.Tod“ des Stücks.
  • Sprecher/ein SS-Mann: Martin Niedermair

Die Vorstellungen beginnen immer um 19.30 Uhr, an Sonntagen gibt es oft eine zweite Vorstellung um 15.00 Uhr. Alle Termine findest du hier.
Karten kannst du online hier kaufen.

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