Life of PI, Filmplakat, BuchcoverWarum ich mir einen „Weihnachtsfilm“ ansehe, in dem ein bengalischer Tiger und ein Jugendlicher auf einer Nussschale schiffbrüchig gemeinsam über den Ozean treiben?
Ang Lee.
Wobei stade meinte, der dem Film zugrunde liegende Bestseller Life of PI von Booker-Preisträger Yann Martel hätte ihm überhaupt nicht gefallen.
Trotzdem, wieder eine Literaturverfilmung von Ang Lee:
Eat Drink Man Woman, Sinn und Sinnlichkeit, Tiger and Dragon und Brokeback Mountain.
Ang Lee muss einfach sein.

Die Anfangssequenz entführt uns an einen paradiesischen Ort, einen Zoo in Indien. Zauberhaftes Ambiente, die Kolibris surren einem in 3D um die Ohren, das Familienleben des kleinen Piscine, genannt PI ist idyllisch. Witzig und liebevoll wird das Heranwachsen der Hauptfigur beleuchtet. PI hat ein großes Herz, ist klug und ein sehr spiritueller Mensch: ist er doch ein Anhänger sämtlicher Weltreligionen. Der große Bruder ist ein typischer großer Bruder, der Vater für die Ratio, die Mutter für die Emotio zuständig. Ein Märchen.

Die Welt scheint in Ordnung bis der Vater beschließt den Zoo zu verkaufen, um die Zukunft der Kindern abzusichern. Zum Auswandern schifft man sich mit allen Tieren auf einem Japanischen Frachter in Richtung Kanada ein.
In einem Unwetter sinkt das Schiff und der sechzehnjährige Junge gelangt durch eine Verkettung von Umständen mit drei weiteren Passagieren als einzige Überlebende des Unglücks auf ein Rettungsboot. Das Leben auf hoher See unter teils skurrilen Umständen hält uns in Atem. Eine Abenteuergeschichte.

Der schiffbrüchige PI wird nicht allzu unansehnlich auf seiner 227 Tage dauernden Odyssee. Schwierige, lebensbedrohliche Situationen finden überraschende Lösungen. Das Meer und der Himmel ziehen optisch alle Register, Poetisches und Dramatisches halten einander schön die Waage. Die digitale Trickkiste war randvoll. Gott kommt wieder stärker ins Spiel. Fantasy.

Parallel dazu erleben wir den erwachsenen PI, der seine Lebensgeschichte einem kanadischen Autor als Romanvorlage zur Verfügung stellt. Eine Parabel.

Das Buch wurde ein Bestseller, nachdem es zuvor fünf Verlage abgelehnt hatten und galt als unverfilmbar. Verständlich. Da hätte man ganz schön ausrutschen können!
Ang Lee, der dafür seinen zweiten Oscar für die beste Regie erhielt, gelingt der Husarenritt  zusammen mit dem Drehbuchautor David Magee. Vor ihm waren schon einige abgesprungen, die Szenen mit dem kanadischen Schriftsteller mussten nachgedreht werden: Tobey Maguire wurde durch Rafe Spall ersetzt. Für die Hauptrolle des jugendlichen Pi wurden über 3000 Darsteller gecastet: Lee entschied sich zurecht für Suraj Sharma, einen Anfänger.

Lee trifft den Ton, das Tempo, wählt die richtige Bildsprache und scheitert auch nicht am schwierigen Schluss. Über zwei Stunden kommt keine Minute Langeweile auf. Nicht eine.
Und ich bin sicher, Life of PI ist für jeden etwas anderes: eine spannende Abenteuergeschichte, eine philosophisch-theologische Parabel, eine Diskussionsgrundlage für Naturwissenschaften versus Glaube, ein Märchen über die Zähmung eines wilden Tieres, ein plattes Fantasyspektakel, ein berührendes Erlebnis, ein schöner Film.

 

 

 

Life of PI, Schiffbruch mit Tiger

2012, USA, 127min
Drehbuch: David Magee, basierend auf dem gleichnamigen Roman von Yann Martel
Regie: Ang Lee
mit Suraj Sharma, Irrfan Khan, Gérard Depardieu, Ayush Tandon, Gautam Belur, Rafe Spall,…
FSK 10 Jahre

Läuft im Moment in vielen Wiener Kinos.
Ab 28.4.2013 auf Blu-ray 3D, Blu-ray, DVD und als Video on Demand erhältlich.

 

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