Unterschätzt mir die Kartoffel nicht

Kartoffel ©mischa_reska_kekinwien.

Gleich ist es Frühling!

Die Luft ist lau, die Bäume blühen und wir sind begierig nach ‘Frischem’ auf den Tellern.
Kleine wie große Gemüsegärten ziehen aber nur langsam nach. Erst einmal wachsen zarte Kräuter und man kann kleinblättrige Pflücksalate und Spinat ernten, bis dann im Mai der Spargel sprießt. Erst im schon sommerlichen Juni wird gleich einer Explosion eine breite Gemüsepalette reif sein.

Wahrscheinlich ist es gut, dass unser Körper langsam vom Winter auf diese Üppigkeit umgestellt wird.
Bis das pralle Grün da ist, sollten wir uns also weiter hauptsächlich mit heimischen Wintergemüse nähren und es mit den zarten Blättern und ein paar Frühlingsblumen der Saison auffrischen. Neben Rüben und Wurzeln ist vor allem die Kartoffel bestens als Frühlings-Basis geeignet.

 

Kartoffeln im Vorfrühling, Bild (c) Mischa Reska - kekinwien.at

Kartoffeln im Vorfrühling, Bild (c) Mischa Reska – kekinwien.at

 

Kartoffel sind Bramburi

Von ‘Tartufolo’, dem italienischen Wort für Trüffel, leitet sich eindeutig das Wort ‘Kartoffel’ ab.
’Erdäpfel’ kommt vom französischen Ausdruck ‘pommes de terre‘.
Man kann jetzt mutmaßen, dass in Österreich eher der Begriff Kartoffel verwendet wird, weil hier der italienische Einfluss stärker war, und man dort Erdäpfel sagt, wo Frankreich näher liegt.

In keinem Fall ist ‘Erdapfel’ das Dialektwort zum schriftsprachlichen ‘Kartoffel’. Beide Bezeichnungen sind im österreichischen Deutsch richtig.
‘Grumpan’ oder ‘Grumpirn’ (Grund-Birne) hört man vereinzelt noch im Burgenland. Eachtling (Erdling) heißt es immer noch in einer der Hochburgen des Kartoffelanbaus, im Salzburger Lungau. In Wien wüsste aber kaum mehr jemand mit dem früher gebräuchlichen ‘Bramburi’ (tschech. ‘Brambory’) etwas anzufangen.
Die Vielfalt der regionalen Worte stirbt aus, wie die Insekten im Klimawandel, doch zum Glück nicht die Vielfalt der Kartoffel Sorten.

 

Bramburi alias Kartoffel auf dem Markt, Bild (c) Mischa Reska - kekinwien.at

Bramburi alias Kartoffel auf dem Markt im Winter, Bild (c) Mischa Reska – kekinwien.at

 

Die Kartoffel als Blume

Die englische Bezeichnung ‘Potato’ kommt vom spanischen ‘Patata’.
Spanische Eroberer brachten die ‘Patata’ von Lateinamerika, wo sie ursprünglich beheimatet war, nach Europa. An den Höfen der Auftraggeber der Raubzüge würde sie als hübsche Zierpflanze in botanischen Gärten zur Schau gestellt. Dass man sie essen kann, blieb erst einmal unerkannt.
In Lateinamerika war die ‘Patata’ schon damals von der Wildpflanze zur hoch spezialisierten Kulturpflanze weiter entwickelt worden. Die zahlreichen Sorten wurden für den Anbau durch Auswahl an die verschiedensten Höhenlagen, Witterungsbedingungen und unterschiedliche Verwendungszwecke optimal angepasst. Die alten Lateinamerikanischen Hochkulturen wussten schon damals, wie man eine Kulturpflanze für den besten Ertrag und den höchsten Genuss hegt und pflegt.

Irgendwann sprach es sich dann doch über die Meere bis Europa durch, dass die Kartoffel in der Küche mehr kann, als im Ziergarten. Der Benediktinerabt Caspar Plautz im Kloster Seitenstetten in Niederösterreich verfasste 1621 das wahrscheinlich erste Kochbuch mit Kartoffelrezepten.
Es wurden danach noch lange ausschließlich in den Klöstern Kartoffeln zum Verzehr kultiviert. Den Bauern war die Pflanze suspekt und sie verweigerten den Anbau, obwohl sie von Landeigentümern und Herrschern immer wieder dazu angehalten wurden.
Im Dreißigjährigen Krieg half die stärkehaltige Knolle bei einer schlechten Getreideernte erstmals die Hungerperiode unter der einfachen Bevölkerung zu mildern.

 

Kartoffel, Kartoffel, die tolle Knolle, Bild (c) Mischa Reska - kekinwien.at

Kartoffel, Kartoffel, die tolle Knolle, Bild (c) Mischa Reska – kekinwien.at

 

Die Kartoffel als Giftpflanze

In Europa konnte man sich zuerst nicht mit dem Nachtschattengewächs anfreunden, da alle Teile der Pflanze giftig sind und auch die Knolle nicht roh gegessen werden kann.
Hier waren unter den Nachtschattengewächsen etwa die Alraune, das Bilsenkraut, oder die Tollkirsche bekannt: allesamt Rauschmittel, Ritual-, Zauber-, Gift- oder bestenfalls Heilpflanzen.
Die Essbarkeit der lateinamerikanischen Nachtschattengewächse, neben der Kartoffel etwa auch Tomate und Paprika angehören, wurde erst nach und nach akzeptiert. Heute gehört die Kartoffel bei uns zu den beliebtesten Nahrungsmitteln.

 

Sortenvielfalt, von Gelb bis Violett: die Kartoffel, Bild (c) Mischa Reska - kekinwien.at

Sortenvielfalt, von Gelb bis Violett: die Kartoffel, Bild (c) Mischa Reska – kekinwien.at

 

Einteilung der Kartoffel in Arten

In Peru, einem der Ursprungsländer, gibt es mehr als 3.000 endemische Kartoffelsorten. Weltweit wurden noch rund 2.000 weitere gezüchtet. Im österreichischen Supermarkt werden wir meist mit lediglich zwei verschiedenen abgespeist. Ditta als ‘festkochend’ und als ‘vorwiegend festkochend’ Agria. ‘Mehlige’ mag heute scheinbar niemand mehr. Weil man das Püree fertig kauft?
Die meiner Meinung nach bestenfalls ungeschickten Bezeichnungen der Art haben ‘speckig’ und ‘halb mehlig – halb speckig’ ersetzt. Weil speckig heute von vornherein negativ klingt?

‘Es heißt’ die Konsument_in wünscht sich die Einheitskartoffel, aus der man alles machen kann, deshalb wird versucht eine solche Sorte – nicht Fisch, nicht Fleisch – zu entwickeln. Das schmeckt dann nie wirklich gut, aber passt halt irgendwie für alles.

Mehr Bemühungen, um der ‘banalen Zuspeise’ Kartoffeln zu kulinarischen Höhenflügen zu verhelfen, unternimmt man in den Gegenden, in denen die Kartoffeln am besten gedeihen. Das waren bislang das Waldviertel und der Lungau. Regionen mit niederen Temperaturen liegen bei der Geschmacksentwicklung der Kartoffel absolut im Vorteil. Vielleicht wird mit dem Klimawandel die Kartoffelproduktion in Zukunft in noch größere Höhen oder noch weiter in den Norden ausweichen müssen.

 

Kartoffel auf dem Markt im Winter, Bild (c) Mischa Reska - kekinwien.at

Kartoffel auf dem Markt im Winter, Bild (c) Mischa Reska – kekinwien.at

 

Kartoffeln auf dem Markt

Der mit Abstand schönste Kartoffelstand, den ich in Wien kenne, steht jeweils am Donnerstag auf dem Servitenmarkt und am Samstag Vormittag auf dem Biomarkt Lange Gasse, natürlich mit Waldviertler Erdäpfeln. Dort kann man die Knollen in verschiedenen Größen, Formen und Farben entdecken, die auch alle ganz unterschiedlich schmecken.

Beste Lungauer Eachtlinge in drei Sorten gibt es auf der Salzburger Schranne in der Hubert-Sattler-Gasse, nahe der Ecke Haydnstraße.

Mehr zur Lagerung und welche Kartoffel für welche Gerichte empfehlenswert sind, demnächst in Teil 2 – auf dem Markt im Frühling!

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