"I'm desperate" von Gillian Wearing in der Ausstellung "my private world" in der Sammlung Verbund - die Kuratorin Gabriele Schor muss gar nicht verzweifelt sein: wunderbare Schau!
„My private world“
hat die Sammlung Verbund die aktuelle Schau übertitelt.
Wie wahr: eine intime, berührende Schau.

Von unten nach oben soll man sie diesmal ansehen, die Ausstellung in der Vertikalen Galerie am Hof.
Drei Generationen von KünstlernInnen beschäftigen sich mit Einblicken ins Private, machen das Intime öffentlich – ohne es zur Schau zu stellen. Wer sich heute durch Selfies und Statusmeldungen zwangsbeglückt fühlt, hat vielleicht vergessen, dass vor den 1960er Jahren private Fotografien in der Öffentlichkeit einfach nicht gezeigt wurden.

Sich eine halbe Stunde Zeit zu nehmen, zahlt sich aus.
In Österreich noch nie gezeigte KünstlerInnen sind zu sehen, insgesamt auch zahlreiche Neuankäufe.

Viele Arbeiten in der Ausstellung „my private world“ sind berührende Begegnungen.

Für die farbigen Großformate im Eingangsbereich zum Beispiel hat Gillian Wearing in den 1990er Jahren über 70 Passanten in Großbritannien gebeten, spontan einen Gedanken aufzuschreiben und dann damit zu posieren. Ein Banker schrieb „I’m desperate“, hielt kurz innen und verschwand wortlos.

David Wojnarowicz, eine kreative Lichgestalt, Künstler, Autor und Filmproduzent aus der New Yorker Kunstszene der 1970er und 80er Jahre, begegnet einem gleich zwei Mal in der Ausstellung: vor der Kamera!
Nan Goldin hat ihn als Teil ihres Freundeskreises portraitiert, Peter Hujar geht in seiner Schwarz-Weiß-Aufnahme noch weiter: man fühlt sich, als wäre man gerade morgens neben David aufgewacht.

Nan Golding portraitierte David Wojnarowicz.

Peter Hujar portraitierte David Wojnarowicz. (Detail aus: "David Wojnarswicz Reclining", Peter Hujar, 1981, Gelatinesilberabzug)

Aber auch verlassene Orte dürfen ihre und die Geschichte ihrer Bewohner erzählen.

Ein kleiner (und seltener) Vintegeprint aus den 1970er Jahren lässt uns in ein privates Schlafzimmer blicken (4. Stock) und unwillkürlich frage ich mich:
was erzählt meine Wohnung über mich?

Wir blicken in Wohnzimmer, spähen in Hollywood über Hecken und beobachten, wie viel wichtiger früher Privatsphäre war (5. Stock). Unsere Augen wandeln durch Arteliers (Zwischenetage 5./6.Stock) und obwohl diese Räume menschenleer sind, kommt man sich ab und an vor wie ein Voyeur.

Im 7. Stock beeindruckt Simryn Gill, eine Teilnehmerin der 55. Biennale in Venedig, mit Bildern aus leer stehenden Wohnhäusern in Angkor.
Die Natur erobert ihren Raum allmählich zurück, ähnlich wie in Angkor Wat, die Menschen schlachten das Gebäude aus. Diebe stehlen sogar die hölzernen Fensterrahmen, das noch intakte Fensterglas wird, sorgsam an die Wand gelehnt, zurückgelassen.

Fast als wäre man dabei gewesen …

eine Schwarz-Weiß-Fotografie aus der Serie "My Own Private Angkor" von Simryn Gill

Die Arbeiten der iranischen Künstlerin Tahmineh Monzavi sind erstmals in Österreich zu sehen: Brautkleider, ausschließlich von Männern gefertigt. (1. Stock)

 

my private world
Werke aus der Sammlung Verbund

Vertikale Galerie in der Verbund Zentrale
Am Hof 6a, 1010 Wien
Tel.: 050313-50044
E-mail: sammlung@verbund.com
web: www.verbund.com/sammlung

Öffnungszeiten: Jeden Mittwoch findet um 18.00 Uhr ein geführter Rundgang durch die Ausstellung statt.
Anmeldung nötig unter 050313-50044 oder sammlung@verbund.com, Eintritt frei.
Ausstellungsdauer: seit 1. Oktober und noch bis zum 25. März 2015

Kuratorin: Gabriele Schor, Direktorin der Sammlung Verbund

Teilnehmende KünsterInnen: Vito Acconci, Cecil Beaton, Tom Burr, Gilbert & George, Symrin Gill, Nan Goldin, Peter Hujar, Louise Lawler, Urs Lüthi, Tahmineh Monzavi, Adam Rzepecki, Jeff Wall, Gillian Wearing, James Welling

Nan Goldin, "Jimmy Paulette + Misty in the Taxi NYC, 1991, C-Print. Meine Lieblingsfotografie ...
4sterne

 

 

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