Marlen Haushofer, Die Wand

Marlen Haushofer – Die Wand

Stell dir vor, du lebst alleine. Nicht, weil sich alle von dir abgewandt haben oder durch ein globales Schicksal verendet sind. Auch nicht, weil du allen den Rücken gekehrt hast. Du bist alleine, weil dich eine unsichtbare Wand vom Rest der Welt abgegrenzt. Diese Wand gewährt dir in deinem Bereich folgende Güter: Tiere, ein Haus in der Natur mit Landwirtschaft, ein Stück Wald, eine Alm mit einem Haus am Berg.
Wie würdest du damit zurechtkommen?

Marlen Haushofer (1920-1970) kreiert dieses Szenario in dem besagten Buch. Woher diese Wand kommt wird weder zu Beginn stark thematisiert, noch gegen Ende aufgeklärt. Sie ist da, und damit findet man sich ab. Schnell tut dies auch die Protagonistin, deren Überlebensinstinkt greift, und die sich mehr und mehr auf die neue Situation einstellt. Bald hat sie einen Rhythmus geschaffen und lebt so mit der verbliebenen Ungewissheit Tag ein und Tag aus.

Dies ist eines der wenigen Bücher, von meiner Deutschlehrerin der Klasse als „Weltliteratur“ klassifiziert, das mich nachhaltig begeistern konnte.
Durch die „Ich-Erzählung“ lebt und leidet man bei der Geschichte mit. Nach dem letzten Satz habe ich das Buch zuerst als traurige Geschichte empfunden, die das Schicksal einer einsamen Frau widerspiegelt. Durch den optimistischen Zwang Positives zu sehen, kann man sich dennoch fragen, ob die Frau in dieser besonderen Situation nicht doch letztlich zufrieden war: aus dem was sich ihr bot, hat sie das Beste gemacht und sich ein bescheidenes, schönes, ruhiges Leben gerichtet, in das ihr niemand „reinpfuscht“. Es gibt zwar Schicksalsschläge, aber diese machen sie nur stärker.

Dieser Interpretationsspielraum wird von der Autorin bewusst geschaffen sein und könnte lang diskutiert werden. Eines kommt aber dennoch stark zur Geltung: der Umgang mit anderen Lebewesen ist für Menschen lebenswichtig und beugt somit einer kompletten Vereinsamung vor! Dies treibt Marlene Haushofer so weit, dass für den lieb gewonnenen Jagdhund sogar die mögliche Aufklärung des „Warum?“ geopfert wird.

Die Wand ist meines Erachtens ein Symbol für viele Barrieren und wird je nach dem jeweiligen Lebensabschnitt des Lesenden unterschiedlich interpretiert werden: Differenzen, Krankheit, Ausgrenzung, Einsamkeit, Altern,…
Ab und zu sind dies Zustände, mit denen man sich leider unbewusst abfindet, die man nicht zu stark hinterfragt, und die oft ohne zu starkes Widerhandeln hingenommen werden.
Man wird bequem, gewöhnt sich daran und richtet sein Leben danach aus.

„Read the book and read you soon“

Die Wand

Marlen Haushofer
Erstveröffentlichung 1963, 2004,  285 Seiten, Taschenbuch, 1. Auflage, List Verlag
ISBN-13: 978-3548605715
gesehen um Euro 8,95

Bereits verfilmt!

Die Wand

2011, Österreich/Deutschland, 110 min
Drehbuch: Julian Roman Pölsler nach dem gleichnamigen Roman von Marlen Haushofer
Regie: Julian Roman Pölsler
mit Martina Gedeck, Karlheinz Hackl, Ulrike Beimpold
FSK 12 Jahre
Kinostart am 5.10.2012!

 

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