FilmplakatJedes Jahr frage ich mich erneut warum ich mir das antue:
Am Wochenende zu einer Zeit aufstehen, zu der ich manchmal erst ins Bett komme, stundenlang bei Kälte in einer Schlange stehen und alles nur für Kinokarten.
Die Viennale treibt mich dennoch jährlich zu dieser Tortur.

Eine Bekannte sagte, dass es doch schön sei mit lauter Gleichgesinnten zusammenzukommen, diese kennen zu lernen und seinem Jagdinstinkt nachzugehen und zu hoffen, dass man alle Tickets bekommt, die man will. Auch dieses Jahr konnte mich dieses Argument nicht überzeugen.

Sobald ich aber den ersten meiner Filme ansehe, weiß ich, warum ich es tue.
Dieses Jahr wurde es „Les neiges du Kilimandjaro“ von Robert Guédiguian.
Ein schöner, berührender Film, der doch mehr traurige Momente bot, als ich erwartet hatte.

Kurz zusammengefasst geht es darum, dass ein seit 30 Jahren glücklich verheirateter Hafenarbeiter in Frühpension geschickt wird und versucht mit seiner Freizeit zurecht zu kommen. Bei einem geselligen Abend mit Freunden werden sie alle jedoch Opfer eines brutalen Überfalles, der aller Leben aus den gewohnten Bahnen wirft und neue Fragen aufwirft.

Die Schauspieler schaffen es auf eindrucksvolle Weise zu zeigen, wie ein Schicksalsschlag Menschen und deren Charakter verändern kann. Man nimmt andere Wesenszüge an, achtet auf andere Dinge, wird schreckhaft und Freundschaften können zu Bruch gehen. Würde man sich selber in einer vergleichbaren Situation auch so verändern? Man will es besser nicht herausfinden.
Zusätzlich schafft es der Regisseur, durch die Preisgabe von immer mehr persönlichen Details seines Hauptdarstellers, diesen im Laufe des Filmes anders darzustellen. Zuerst spürt man Verachtung und empfindet ihn als einen bösen Menschen, mit Fortlauf der Geschichte wird er jedoch menschlich und es entwickelt sich sogar eine Art Empathie.

Mal schauen, ob ich nächstes Jahr für die Viennale Karten leichter aus dem Bett komme.
„Read you soon“!

Les Neiges du Kilimandjaro

2011, F, 107 min
Regie und Drehbuch: Robert Guédiguian
Darsteller: Ariane Ascaride, Jean-Pierre Darroussin, Gérard Meylan, Maryline Canto.
FSK 12 Jahre

Derzeit bei der Viennale und ab November in den heimischen Kinos.

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