Lucy, Filmplakat
Luc Besson, der Mann, der mir mit Leon, der Profi (Léon, 1994) und Im Rausch der Tiefe (Le Grand Bleu, 1988) zwei meiner Lieblingsfilme bescherte, ist mit Lucy nicht ganz in seinem Element, nicht einmal im fünften (1997).

Taipei City, Gegenwart.

Lucy (Scarlett Johansson), eine junge, lebenslustige Amerikanerin, wird von ihrem neuen Freund Richard (Pilou Asbæk, der Spindoctor aus Borgen!) um einen Gefallen gebeten: sie soll in einem Luxushotel einen Koffer für ihn abgeben, ein bezahlter Botendienst.
Sie will nicht, er nötig sie, sie hat keine Wahl, er wird erschossen.
Merke: Du sollst immer darauf achten, mit wem du zu viel Maekong-Whisky oder Kaoliang-Schnaps trinkst!

Im Koffer befindet sich die neue Designerdroge der taiwanesischen Drogenmafia. CDH12 steigert die Leistungsfähigkeit des menschlichen Gehirns bis zum Anschlag – Nebenwirkungen inklusive.
Lucy wird ein Päckchen des Superstoffs unter die Bauchdecke implantiert. Zusammen mit drei anderen unfreiwilligen Kurieren soll sie die Droge nach Europa schmuggeln.
‚Scheißtag erwischt!‘, raunt mir mein Begleiter ins Ohr – besser kann man es nicht zusammenfassen!

Das Päckchen leckt, die Droge verteilt sich nicht in Europa, sondern im Körper der Amerikanerin.
Unendlich schlau und superstark, schmerz- und emotionslos werden, ist die eine, sich buchstäblich auflösen und nur mehr 24 Stunden zu leben haben, die andere Seite dieser Medaille.
Lucy sucht Hilfe bei einem Neurobiologen (Morgan Freedman) in London und rettet nebenbei die Welt …

Was eigentlich nach einem interessanten Science Fiction Plot klingt, hat bei mir nicht ganz funktioniert – oder zumindest nicht den ganzen Film lang.
Trotz eindringlicher Bilder im Makro-und Mikrokosmos, trotz vieler Großaufnahmen von Johansson und Freedman, hat mich Lucys Schicksal letztlich nicht interessiert oder berührt. Zu wenig packend, zu wenig nahe war das Spiel der Johansson wohl.
Nur g’scheit sein, ist eben auch nicht alles.

Der Film strotzt nur so vor Produkt Placements: Dyson, Peugot, Samsung, Evian – damit säubert sich der Clanchef nach dem mittäglichen Massaker im Hotel, nur die Hände, wohlgemerkt. Die Blutspritzer im Gesicht dürfen bleiben, schließlich sollen wir uns alle ja ein bisschen fürchten.

Anleihen bei anderen Filmen und Serien gibt es auch zuhauf: man findet Kill Bill, Lara Croft und Matrix wieder, optisch erinnert manches an CSI und Universum.

Wunderbar hingegen der Schnitt und hervorragend die Auswahl der Musik: Klassik passt eben doch sehr gut zu Mord und Totschlag.
Eine ganze Stunde lang bekommt man wirklich gute Unterhaltung serviert, und dann, nach einem kleinen Durchhänger, explodiert die Dramaturgie in alle Richtungen, die Handlung driftet ab, man spürt den erhobenen Zeigefinger und fühlt sich belehrt.

Wenn Lucy im sexy Kleidchen samt Louboutins im Flugzeug nach London das Glas Champagner an die vollen Lippen hebt und: ‚To Knowledge!‘ trinkt, wünscht man sich, Besson hätte das auch getan. Und die große Wahrheit am Schluss: ‚We never really die.‘ ist einem dann auch kein rechter Trost.

Insgesamt schade, dass hier offensichtlich zu viel gewollt wurde.
Doch über weite Strecken bietet ‚Lucy‘ solide, perfekt gemachte Action, grandios geschnitten und mit genug Blutspritzern garniert, damit die Kinokassen klingeln werden.

Fazit: Wir müssen alle noch viel lernen.
Danach: zuhause in der Bibliothek stöbern und eine Flasche Champagner köpfen.

Lucy

2014, USA / Frankreich, 90min
Buch und Regie: Luc Besson
mit Scarlett Johansson, Morgan Freeman, Min-sik Choi, Amr Waked, Julian Rhzind-Tutt, Pilou Asbæk, …
FSK 12 Jahre

Der Film läuft seit 15. August 2014 in vielen Wiener Kinos!

 

2sterne

 

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