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Murer. Anatomie eines Prozesses.

Ein Film von Christian Frosch.

Graz 1963. Franz Murer, angeklagt der Tötung und der Misshandlung mit Todesfolge von sowjetischen Juden als leitender Angehöriger des Gebietskommissariats Vilnius, wird freigesprochen. Die Bevölkerung jubelt.

Der Prozess gegen den „Schlächter von Vilnius“ gilt als einer der größten Justizskandale der Zweiten Republik.
Man muss wissen, dass Vilnius vor dem Zweiten Weltkrieg das geistige Zentrum der jüdischen Kultur in Osteuropa war. Es wurde von den Nazis komplett zerstört. Von den 80.000 Juden in Wilna überlebten nur ein paar Hundert.

Erschreckt stelle ich fest, dass ich über diesen Fall von solcher Tragweite noch nie etwas gehört habe.
Doch damit bin ich wohl nicht allein.

 

Murer. Anatomie eines Prozesses, Karl Markovics © Katharina F. Roßboth / Prisma Filmfkd

Murer. Anatomie eines Prozesses, Karl Markovics © Katharina F. Roßboth / Prisma Filmfkd

 

Ein Gerichtsdrama, das die Kehle zuschnürt.

Der Film „Murer. Anatomie eines Prozesses“ von Christian Frosch will die Informationsdefizite nun ändern. Basierend auf stichwortartigen Aufzeichnungen – es gibt weder Tonbandaufnahmen noch wortwörtliche Protokolle von der Verhandlung – zeichnet Christian Frosch dieses Gerichtsdrama als Kammerspiel mit langen Takes nach. Das führt dazu, dass der Zuschauer die Rolle des Prozessbeobachter übernimmt und quasi mittendrin ist.

Es schnürt einem die Kehle zu, wenn Überlebende des Massenmords in Jiddisch und Hebräisch von den Gräueltaten Murers berichten.
Die damalige Reaktion und der Umgang der Gesellschaft und der Öffentlichkeit mit der Geschichte erschüttert. Es wird verdrängt, verbogen und gesteuert. Der schlussendliche Freispruch und die jubelnden Menschen erzeugen im heutigen Betrachter Fassungslosigkeit.

Fazit: Christian Frosch hat mit „Murer. Anatomie eines Prozesses“ einen großartigen Film geschaffen, der wichtiger nicht sein könnte und unbedingt gesehen werden muss.

„Nicht die Erinnerung, sondern das Vergessen ist und bleibt die wahre Gefahr“ (Primo Levi)

 

Murer. Anatomie eines Prozesses, Ursula Ofner © Ricardo Vaz Palma / Prisma Film

Murer. Anatomie eines Prozesses, Ursula Ofner © Ricardo Vaz Palma / Prisma Film

 

Murer. Anatomie eines Prozesses

2018, Österreich / Luxemburg, 137min
Drehbuch: Christian Frosch
Regie: Christian Frosch
mit Karl Fischer, Alexander E. Fennon, Melita Jurisi, …

Dieser Film war der Eröffnungsfilm der diesjährigen Diagonale in Graz.
Er gewann den Großen Spielfilmpreis der diesjährigen Diagonale.

(Beitragsbild: Karl Fischer (Mitte) © Ricardo Vaz Palma / Prisma Film)

 

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