brandneu: Merlo, Tapas & Weinbar, Bäckerstraße 5 , 1010 Wien
UPDATE Dezember 2016

Tja, nichts ist für die Ewigkeit. Das Merlo war eines der vielen Lokale, die dieses Jahr geschlossen haben. Der Nachfolger heißt Kussmaul. Viel Glück kann man da nur wünschen!

Mit Lokalen kann es so laufen wie mit Beziehungen:

zunächst große Neugier, angenehm prickelnde Nervosität beim Erstkontakt, dann eine kurze Konsolidierungsphase, Durchatmen und näher hinschauen:
Ernüchterung, Enthusiasmus, Zweifel, Zweckoptimismus, Glück, kurz ein Wechselbad der Gefühle.

Aber Beziehungen, die langsam und kompliziert anfangen, halten oft ewig.
Ich war im Merlo.

Das Merlo – ohne T, weil ja nicht von der Traube kommend, sondern vom Spitznamen des Besitzers Zeljko Radic – liegt in der Bäckerstraße 5, wo früher das ‚Neu Wien‘  erfolglos blieb.
An verfluchten Plätzen etwas Neues wagen, finde ich ja immer bemerkenswert, auch deswegen war ich sehr gespannt.
Freudige Hinweise aufmerksamer keker LeserInnen machten zusätzlich Lust auf’s Kennenlernen.

Der erste Eindruck: chic.
Grau als Leitfarbe, dazu lackiertes Holz, Blumenarrangements, eine lange Bar, viele Spiegel, verwirrend viele davon in den Nassräumen.
Insgesamt entspannt zeitlos, wobei ich noch über das blaue Licht im Barbereich nachdenken würde.
Überhaupt die Bar: säße ich dort gern länger, so quasi im Durchgang?

die Bartheke vom Merlo, Blick auf die Bäckerstraße

dringende Empfehlung: Miniburger mit Gänseleber
Der Blick in die Speisekarte war ebenfalls erfreulich: kalte und warme Vorspeisen, Hauptgerichte in Form von Tapas, allesamt unter Euro 10,00.
Klassiker aus dem mediterranen Raum begegnen denen aus Wien, heißt best of two worlds.
Die Karte wird täglich adaptiert und jetzt, in der ersten Wochen schaut man den Gästen auf den Mund, man beobachtet, was am meisten geordert wird.

Die Getränkekarte ist wunderbar und das Auge ruht entspannt auf den großen Weinkühlschränken gleich beim Eingang – da ist auch ‚Orange‘ drin (vgl. Rawfair Vienna).

Mein Gulasch beim ersten Testessen hatte so gar nichts ungarisches und die Serviettenknödel ließen Wasser auf dem Teller – leider fade.
Dafür war die Stockfischpaté als Vorspeise von fast triestinischer Qualität: sehr gut und für mein Empfinden (ganz im Gegensatz zum Rest der Welt, was man so liest) nicht zu teuer.
Die geschätzte Begleitung fand den marinierten Fisch als Vorspeise ‚ausgezeichnet‘, aber in ‚Preisleistung schwächelnd‘, dafür das Beef Tartar zufrieden lächelnd ’sehr würzig‘.
Das erste Mal …

Beim zweiten Testessen war die Küche besser in Form.
Aber man ließ uns auf den ersten Gang fast vierzig Minuten warten, doch gottseidank, der Brotkorb wurde laufend unaufgefordert mit sehr gutem Inhalt befüllt, köstlich mild auch das Olivenöl dazu, mehr als nur eine nette Geste.
Ein Crostini mit Lachs, Avocadocreme und Ricotta war eine bezaubernde Rettung vor dem Hungertod letztlich und wurde gefolgt von Miniburgern mit Gänseleber – die waren beim ersten Mal ausverkauft – verständlich, weil wirklich sehr gut.

Laut Inhaber will man die Küche weiter in Richtung mediterraner Gefilde treiben, was sicher die richtige Idee ist.
Schnitzerl und Gulasch isst man wohl besser anderswo.

Von der jungen Servicemannschaft ist uns eine junge Dame besonders positiv aufgefallen.
Als wir uns nach dem Zahlen noch ein bisschen festgeplaudert hatten, servierte sie uns eine Karaffe kaltes Leitungswasser mit zwei frischen Gläser: aufmerksam und gastfreundlich.
An einem Montag war das Merlo halbvoll, am Mittwoch ausgelastet, es lohnt sich wohl einen Tisch zu reservieren.

Fazit: ein Hoffnungsträger unter den Neuzugängen, dessen Küchenleistung noch ein wenig schwankt, der aber in ein paar Wochen wohl zur vollen Form auflaufen wird.

Für geschäftliche Termine ebenso geeignet wie für intime oder gesellige Abendessen (für sonntags merken!), für Gäste aller Altersschichten gleich gut, und durch das ‚Baukastensystem‘ der Speisekarte  für alle ‚Brieftaschengrößen‘ möglich.

Wird mich sicher wiedersehen …

das Gulasch ...

Beef Tartar

 

Merlo Tapas & Weinbar

Bäckerstraße 5, 1010 Wien
Tel.: 01/512 32 23

Öffnungszeiten: täglich 10.00 – 24.00 Uhr
großer Veranstaltungsraum im Keller, Nichtraucher, kein Schanigarten

keker Tipp:
Sitzt man gleich beim Eingang, kann man sich darüber amüsieren, wie sich vor dem Figlmüller die Touristen in langen Schlagen um ein Wiener Schnitzel drängen.

 

3sterne

 

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