Fasten.

 

Fasten. Genug haben.
Kein Marktbericht. Keine Marktfotos. Einmal nicht einkaufen.

Am besten jetzt die Vorratskammern leer kochen.
Bald kommt frisches Grün und dann hat man keine Lust mehr auf die haltbar gemachten Leckereien vom letzten Sommer.
Auch die im Körper gespeicherten Vorräte aufbrauchen …

Einmal nicht auf den Markt gehen.

Ich versuche zwar immer allen den regelmäßigen Gang dorthin schmackhaft zu machen, aber der Markteinkauf ist zugegeben so einfach nicht, oft sogar richtig mühsam.
Vielleicht ist es wie beim Sport, die Glückshormone werden erst ausgeschüttet, wenn man sich überwunden hat den Laufdress anzuziehen, vor die Tür zu gehen und sich ein bisschen mehr zu verausgaben als das letzte Mal. Laufen ist gesund und Fasten auch, so die allgemeine Meinung.
Viele kämpfen mit sich, um darin ihre Ziele zu erreichen, aber die Gefahr in die Übertreibung zu kippen, ist bekannt.

Fasten ist mehr als ‚ohne alles‘.

Frühling ist Fastenzeit und das nicht zu unrecht, denn im Übergang von den üppigen Winterreserven bis die Natur wieder reichlich Nahrungsmittel liefert, tut unserem Körper eine Reduktion gut. Der Trend lautet ohnehin ‘ohne alles’: ohne Kalorien, Fett, Zucker, Alkohol sowieso – dazu scheint derzeit nichts besser als glutenfrei, laktosefrei und vegan. Und die EU legt uns nahe auch gleich die zwölf häufigsten Allergene zu vermeiden: also zum Beispiel Sellerie oder Sesam, weil sicher ist sicher?

Nachdem uns die Industrie verwirrt und belogen hat, scheint das vielen die einfachste Lösung, doch vielleicht sitzt man damit nur wieder einem Werbeschmäh auf.
Indem man bestimmte Nahrungsmittel konsequent vermeidet, zeigt man seine mentale Stärke. Man schaut womöglich in den Einkaufswagen der anderen und schüttelt sich mit wohligem Schauer ‚Was die Menschen alles essen!‘,  um sich selbst für die gute Wahl im eigenen Wagerl zu loben.

Speisegebote waren schon immer ein gutes Mittel, um eine Gruppe zusammenzuschweißen und sich von anderen abzuheben. Alle Religionen kennen mehr oder minder strickt gelebte Verbote darüber, was, wann zu sich genommen werden darf, und das hat mit Gesundheit (heutzutage) meist wenig zu tun. Gebote, was zu einem bestimmten Fest auf den Tisch kommen muss, finde ich schon wesentlich freundlicher. Allerdings können diese einen aber auch ordentlich unter Stress bringen.

Clean und schwarz: Wohnung und Kleidung fasten mit.

Das Sich-Selbst-Beschneiden hat in unserer Gesellschaft hohes Ansehen. Als am edelsten gilt Kleidung in klarem Schnitt, schmucklos, am besten ohne jeden Knopf, ohne Farbe (= schwarz). Wir haben damit ein Ideal im Kopf, das den Kleidungsvorschriften für Mönche und Nonnen gleicht. Das alles aber dann noch ohne einen Zentimeter Stoff zu viel, ohne dass noch irgendetwas sonst zwischen Stoff und Haut passen würde. Das soll nicht sexy sein, im Sinne von erotisch, sondern unisex, also geschlechtslos. Damit sind wir überwacht, ob wir brav gefastet haben.

Wohnen wollen wir nach den Hochglanzzeitschriften zwischen cleanen Flächen, die, obwohl sie nicht einmal Griffe haben, scheinbar noch nie berührt worden sind. Da liegt nichts, knittert nichts, schmutz nichts, altert nichts, lebt nichts, …
Was an unserem Körper zu viel ist, also zum Beispiel das Alter, ein Nasenhügerl oder ein auffallender Busen, wird schönheitschirurgisch wegradiert.
Früher haben wir uns geschminkt und geschmückt, heute hängen wirklich manche von uns dem Ideal der Lichtnahrung nach.
Will sich ein lahmer Geist wieder einmal vom lästigen Körper lösen?

Besser ein lästiger Geist mit lustvollem Körper!

Wir haben beschlossen, dass in schlechten Zeiten das Leben keinen Spaß machen darf. Vielleicht, weil es uns so schlecht eigentlich gar nicht geht, denn, wenn nichts mehr da ist, kann man sich den Luxus des Verzichtens ja nicht mehr leisten. Der Genuss die beste Sparmeister_in zu sein, scheint vielen die einzige Möglichkeit, die Stimmungslage zu heben. Wer anderer Ansicht ist, kann sich dem Strom entgegenstellen. Zurück in die Industrie- und Konsumgläubigkeit der Nachkriegsjahre wird keine Alternative sein, also kein blindes, billiges Völlern bis zum Verdruss.

Zu viel oder zu wenig, wann ist genug genug?

Mit Genuss so umzugehen, dass er bleibt oder uns zumindest immer wieder möglich ist, und anderen nicht den Genuss verdirbt, ist eine Aufgabe, die im Großen wie im Kleinen sich ständig ändernden Voraussetzungen unterworfen ist. Es gilt zu viel und zu wenig genau abzuwägen, und das ohne fixe Tabellen. Eben so wie beim Kochen. Davor gehe ich auf den Markt einkaufen und muss entscheiden, brauche ich noch etwas oder habe ich schon genug?
Was will ich eigentlich heute essen?

Wenn man diese sich täglich stellende Aufgabe wieder einmal zufriedenstellend für sich löst, kann einen das schon ein bisschen glücklich machen. Schnell sind einem die Antworten im Kopf, wenn man gefragt wird, was man nicht will, wogegen man ist, ‘was verboten gehört’.
Aber weißt Du, was Du wirklich vom Leben willst?


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