Matiki Bar

Die Entstehung eines Drinks in der Matiki Bar, Bild (c) Matiki Bar, Wien

Matiki Bar

Matty und Arik Vinnitski als engagierte Wegbereiter einer zeitgemäßen, anspruchsvollen Tiki-Generation.
Wien hat eine neue Cocktailbar: Matiki Bar, Tiki mit Ambition.

» … make it three umbrellas!« 

Los Angeles. Im November 2015 wurde in Jimmy Kimmels Late-Night-Show ein amüsanter Sketch mit Bond-Darsteller Daniel Craig ausgestrahlt. Man ging der Frage nach, wie Ian Flemings Agenten-Thriller rezipiert würden, wenn der taffe und kampferprobte Bond statt seines regulären Vodka Martini – »shaken, not stirred« – verspielte oder komplexe Cocktails bzw. Longdrinks bestellt, also einen Drink mit zahlreichen Zutaten und überbordender Dekoration. Eine Bestellung von Bond, die etwa so lauten würde: »A strawberry daiquiri served in half a coconut with a scoop of lemon sorbet and two umbrellas – wait, make that three umbrellas!«

 

Bond würden also einen Cocktail bestellen, den die meisten Barfliegen als Tiki-Drink (ab-)qualifizierten. Auf jeden Fall eine Order, die die bewusst gepflegte Charakterisierung 007s grundlegend konterkariert. Seine sphinxische Ernsthaftigkeit und Männlichkeit wären dahin. Auch wenn Tiki-Drinks auf einen sehr hohen Alkoholgehalt verweisen können und viele Fans dieser Schirmchen-Drinks bereits nach zwei dieser Getränke unter dem Tresen liegen.

Das ironische Beispiel führt uns aber direkt zu einem spannenden und seit langem intensiv diskutierten Thema der globalen Barszene:

  • Wofür stehen Tiki-Drinks?
  • Können sie etwas?
  • Ist es möglich mit einer solchen Bar (in Wien) ein breites Publikum anzusprechen und damit erfolgreich zu sein?

 

Back to the roots: Wofür steht Tiki?

 

Ein Beispiel für einen Tiki Drink, Foto (c) Matiki Bar

Ein Beispiel für einen Tiki Drink, Foto (c) Matiki Bar

 

Hintergrund all dieser Gedanken und Fragen ist die neue Matiki-Bar der Brüder Matty und Arik Vinnitski. Die beiden Belgier haben vor einigen Monaten die Miranda Bar verlassen und im 7. Bezirk ein Watering Hole mit einem anspruchsvollen Tiki-Konzept eröffnet. Die Matiki ist in der Stadt die erste Bar mit hohem Qualitätsanspruch, die sich dieser Programmatik verschrieben hat. Selbstverständlich finden sich auf Karten der meisten anderen Bars allseits bekannte Tiki-Cocktails, die auch in den entsprechenden Gefäßen (»Mugs«) serviert werden. Manche Barkeeper setzen derartige Rezepturen schon deswegen auf die Karte, um Piña Coladas, Mai Tais, Zombies & Co auf originäre, pure Rezepturen zurückzuführen und zu rehabilitieren.

Worauf beruhen die heftigen und jahrzehntelangen Auseinandersetzungen über den Tiki-Kult zwischen karibischen Urlaubsgefühlen, hochprozentigem Fruchtpunsch und mixologischer Ernsthaftigkeit?

Rum-Piraten und die Prohibition, ein geschichtlicher Exkurs

 

Tiki Drinks, mehr als bunte Vielfalt mit Schirmchendekor, Bild (c) Matiki Bar

Tiki Drinks, mehr als bunte Vielfalt mit Schirmchendekor, Bild (c) Matiki Bar

 

Nach dem Ende der Prohibition (1933) in den Vereinigten Staaten hatten viele karibische Inseln mit einem Überangebot an Rum zu kämpfen. Das Alkoholverbot in den Staaten hatte es mit sich gebracht, dass die meisten Brennereien geschlossen werden mussten. Da die US-Amerikaner auf den Gnuss von Alkohol nicht verzichten wollten, wurden andere Trinkquellen gesucht und gefunden. Die Prohibition führte zu einer Blüte der Rumproduktion in der Karibik. Die Touristen genossen in ihrem Urlaub umso mehr den Zuckerrohrschnaps. Das Urlaubsgefühl wurde durch massiven Schmuggel weiter prolongiert. Nach Beendigung des »heiligen Experiments« drohte den karibischen Inseln auf den vollen Fässern sitzen zu bleiben.

Der ehemalige Bootlegger Donn Beach (geboren als Ernest Raymond Beaumont Gantt) hatte die geniale Idee, mit Rum bei Konsumenten weiter die Urlaubssehnsucht aufrecht zu erhalten: mit Ingredienzien wie Schirmchen, Strand, Palmen und Meer – ein vorgetäuschtes Inselleben. Verbunden mit folkloristischen Versatzstücken, von schrillen, farbenfrohen Hemden bis zu spirituellen Totems als Trinkbecher. Die sehr großen Trinkbecher als Synonym dafür, dass es Kunden mehr um rumhaltige Masse als um ausgefeilte und -balancierte Komplexität ging.

Aus diesen Jahren stammt die Tiki-Skepsis bei versierten Cocktail-Genießern. Unter dem Motto: »Das habe ich ein-, höchstens zweimal in meiner Jugend getrunken und es hat gereicht – viel zu viel Sahne, Ananas, Chichi und so weiter …«

Im winterlichen Wien – Rehabilitierung und Neudefinition des Tiki-Genres

 

Ein Tiki Drink in einer Tiki Bar, der ersten in Wien, Bild (c) Matiki Bar

Ein Tiki Drink in einer Tiki Bar, der ersten in Wien, Bild (c) Matiki Bar

 

Matty und Arik Vinnitski nehmen Tiki ernst. Mit ihrer Matiki-Bar geht es ihnen nicht, wie es einmal Nils Wrage in einem Mixologie-Artikel formuliert hat, um »Urlaub auf Abruf«. Au contraire, die erstaunliche Qualität der Cocktails soll auch Skeptiker überzeugen. Die Seriosität erkennt der Gast bereits beim Eintritt in die kleine Bar: keine kitschigen Strandposter, keine aufgemalte Palmen-Deko, kein karibisches Schnickschnack und kein Hawaii-Ukulele-Gedudel im Hintergrund. Einzig die Hemden der Crew sind quasi als Referenz blumig-bunt gemustert. Es dominieren in der stimmig ausgestatteten, schummrigen und unprätentiösen Bar der lange Tresen und das bemerkenswert gut sortierte und vielfältige Spirituosenportfolio.

Tiki ist Matiki

Der Anspruch der Neudefinition des Tiki-Topics setzt sich in der Verwendung unterschiedlicher Spirituosen fort. Es ist kein festgeschriebenes Dogma lediglich Rumsorten verwenden zu dürfen. So kommen bei den Vinnitski Bros ebenso exzellente Tequilas und Mezcals wie unterschiedliche Bourbons zum Einsatz. Auch die eigens designten Mugs wie jener auf dem Bild, wie jener, der die Venus von Willendorf interpretiert, überraschen sehr positiv.

 

Ein Mug in den Formen der Venus von Willendorf in der Matiki Bar Wien - Bild (c) Matiki Bar

Ein Mug in den Formen der Venus von Willendorf in der Matiki Bar Wien – Bild (c) Matiki Bar

 

Da die Jungs im Zusammenspiel mit der charmanten Barlady Zoe Heins, die von der Dubliner Bar Peruke & Periwig zum Team gekommen ist, nicht nur großartig im Erfinden und Mixen von Cocktails sind, sondern auch überaus zuvorkommende Gastgeber, dürfte der »missionarische« Ansatz skeptische Bar-Aficionados von ihrem neuen Tiki-Stil überzeugen, Erfolg haben.

Zu den Erfolgsfaktoren zählen etwa folgende außergewöhnliche Kreationen wie:

  • der wunderbar komplexe »Margarita de Monje« (Altos Plata Tequila, Chartreuse, Lime Juice, Agave Syrup, Celery Bitters, …),
  • der angenehm rauchig-bittere »Bitter Maguey« (Mezcal, Amaro di Angostura, Maracuja, Lemon Juice, Maple Syrup)
  • oder der schön ausbalancierte »Padang Swizzle« (Barbados Rum, Pedro Ximenez Sherry, Lagavulin, Grapefruit & Lime Juice, …).

Die Preise der Cocktails und Longdrinks liegen moderat zwischen 9,50 und 13,00 Euro.

Fazit: Alles in allem findet man in der Matiki Bar ungemein erfrischende und spannende Ansätze das Tiki-Genre nicht nur einer Durchlüftung, sondern einer Neudefinition zu unterziehen. Ein Anspruch, den man sich als Barliebhaber keinesfalls entgehen lassen kann.
Ten out of ten umbrellas. Ganz große Empfehlung!

 

Matiki Bar, Wien, Bild (c) Matiki Bar

 

Matiki Bar

1070 Wien, Gardegasse 2
Tel.: +43660 8254576
web: www.matiki.at

Öffnungszeiten: Mo bis Do 18.00 – 2.00 Uhr, Fr bis Sa 18.00 – 3.00 Uhr
Raucherbar, Zigarren; Kredit- und Bankomatkartenzahlung möglich; hausgemachtes, sehr gutes Popcorn; einen Schanigarten soll es spätestens im Sommer geben.

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